Finanzleiter aus der Tourismusbranche spricht über Risikomanagement und Agilität in der Pandemie

Neil Gribben, Vice President of Accounting and Control beim Tourismus- und Freizeitunternehmen Belmond, beschreibt im Interview mit Tim Wakeford von Workday, wie das Finanzwesen die digitale Beschleunigung während der Pandemie vorangetrieben hat.

Es gibt unzählige Beispiele dazu, wie es Unternehmen gelungen ist, trotz außergewöhnlicher Umbrüche durch die Corona-Krise auf Erfolgskurs zu bleiben. Viele Führungskräfte im Finanzbereich sind in der Pandemie gezwungen, Vollgas bei der digitalen Transformation zu geben. In diesem Interview spricht Tim Wakeford, Vice President of Financials Strategy bei Workday, mit Neil Gribben, Vice President of Accounting and Control bei Belmond, darüber, wie die Hotelkette die Transformation des Finanzbereichs aktiv vorangetrieben hat.

Würden Sie Belmond und Ihre Rolle im Unternehmen kurz vorstellen?

Als Vice President of Accounting and Control verantworte ich das operative Finanzmanagement bei Belmond. Wir sind eine Hotelkette, bieten aber auch exklusive Bahnreisen und Flusskreuzfahrten an. Mit etwa 45 Standorten und über 100 Geschäftseinheiten sind wir in rund 25 Ländern vertreten. 2019 wurden wir von LVMH übernommen, dem größten französischen Unternehmen an der Pariser Börse. Davor waren wir als eigenständiges Unternehmen an der New Yorker Börse notiert. Die strengen Auflagen für börsennotierte Unternehmen sind uns also bestens vertraut.

„Die Corona-Krise hat unser Bewusstsein dafür geschärft, dass wir jeden Aspekt des Accounting-Prozesses buchstäblich überall erledigen können.“

Neil Gribben Vice President of Accounting and Control Belmond

Sie haben vor Kurzem ein umfassendes Transformationsprojekt abgeschlossen. Welche Herausforderungen haben zu der Entscheidung für eine neue Finanzlösung geführt?

Hauptgründe waren unsere starke Wachstumsdynamik und der Umstand, dass diese vor allem auf Übernahmen zurückzuführen war. Wir hatten weltweit 15 Buchhaltungssysteme im Einsatz. Uns war aber klar, dass diese Lösung nicht zukunftsfähig sein würde. Mit unserer Notierung an der New Yorker Börse stieg der Druck durch unsere Auditoren, ein einheitlicheres System in Erwägung zu ziehen. Das Risikomanagement-Framework des Committee of Sponsoring Organization zwang uns dazu, uns mit den regulatorischen Anforderungen in Bezug auf Finanzberichterstattung und Finanzdaten auseinanderzusetzen. Wie viele Unternehmen sagten auch wir uns anfangs: „Wir schauen uns das nächstes Jahr an.“ So schoben wir den Wechsel zu einer Enterprise Resource Planning-Lösung immer weiter auf.

Das klingt so, als wären Revisionsprobleme der Auslöser gewesen – nicht etwa typische Treiber für eine Finanztransformation wie Kostensenkung oder Offshoring?

Das kann man so sagen. Kostensenkung war nicht unser vorrangiges Projektziel, obwohl ich sagen würde, dass dies ein Nebenprodukt von mehr Einheitlichkeit und Effizienz ist. Die Corona-Krise hat unser Bewusstsein dafür geschärft, dass wir jeden Aspekt des Accounting-Prozesses buchstäblich überall erledigen können. Dieser Gewinn an Flexibilität für die Zukunft war aber nicht der eigentliche Grund, weshalb wir uns für Workday entschieden haben. Unsere Systemlandschaft war sehr fragmentiert und alles andere als einheitlich. Unsere manuellen Kontrollinstrumente gaben nicht unbedingt den Stand des Buchhaltungssystems wieder.

Sie arbeiten jetzt schon einige Jahre mit Workday. Welche Herausforderungen sind geblieben und welche Projekte werden Sie bei Belmond als Nächstes in Angriff nehmen?

Es gibt ein paar Standorte, die noch nicht mit der Workday-Lösung arbeiten. Dort hat sich das Deployment wegen einer Veräußerung oder Übernahme oder aus einem anderen Grund verzögert. Außerdem steht aktuell Workday Adaptive Planning auf unserer Agenda. Das hat derzeit oberste Priorität. Mitte des letzten Jahres haben wir mit dem Rollout begonnen. Die erste globale konsolidierte Prognose wurde Anfang dieses Monats erstellt. Durch diesen kontinuierlichen Planungsansatz sind wir nun in der Lage, die Effektivität unserer Datenanalyse mit Workday um das Vierfache zu steigern und die Produktleistung zu maximieren. Plötzlich wird klar, was wir durch Planung, Szenariomodellierung und Agilität alles erreichen können.

In anderen Bereichen arbeiten wir zu 95 % mit Workday. Wir befassen uns nun eingehender mit Themen wie Projektmanagement, Bilanzabstimmung und Ausgabenmanagement – alles Workday-Funktionen, die uns am Anfang noch nicht zur Verfügung standen. Auch arbeiten wir eng mit unseren Kundenmanagern bei Workday zusammen, um sicherzustellen, dass uns die nächste große Sache bei Workday nicht entgeht.

Was denken Sie – welche Trends zeichnen sich im Finanzwesen für die nächsten fünf Jahre ab? Und wie wird sich die Rolle des CFO verändern?

Ich glaube, diese beiden Aspekte sind eng miteinander verknüpft. Risikomanagement hat im Finanzwesen schon immer eine wichtige Rolle gespielt, doch die Pandemie hat ganz neue Maßstäbe gesetzt. Das hat viele unvorbereitet getroffen. Risikomanagement und Folgenabschätzungen in Bezug auf makroökonomische Herausforderungen werden in Zukunft unerlässlich sein. Agilität wird für Führungskräfte im Finanzbereich angesichts der vielen Unsicherheiten zu einer entscheidenden Voraussetzung werden. Für unsere eigene Branche spielt die Szenarioplanung eine wichtige Rolle. Wir müssen ständig über die aktuelle Rechtslage in Sachen Quarantänevorschriften, Wiedereröffnung und Impfungen auf dem Laufenden bleiben. Diese Dinge können sich täglich oder wöchentlich ändern. Darauf müssen wir gefasst sein. Agile Planungsprozesse für Umsatz, Personalbedarf und Kosten werden massiv an Bedeutung gewinnen. Die beiden Schlüsselwörter, die wir in der näheren Zukunft wohl am häufigsten hören werden, sind Risikomanagement und Agilität.

Weiteres Lesematerial