Was ist Quiet Quitting und wie hängt das mit Mitarbeiter-Engagement zusammen?

“Quiet Quitting” ist ein neuer Name für ein altes Phänomen—unzufriedene, teilnahmslose Mitarbeitende. Erfahren Sie, was Quiet Quitting für Ihr Unternehmen bedeutet und warum ein Fokus auf Employee Engagement (dt. Mitarbeiterengagement) die Lösung ist.

Die „Great Resignation“, wie wir sie aus den USA kennen, sehen wir in Deutschland eigentlich nicht. Wir sind eher mit einem Phänomen konfrontiert, das wir „The Great Retirement“ nennen könnten. Laut Computerwoche gehen allein in diesem Jahr 1,1 Millionen Arbeitskräfte in den Ruhestand, während nur 780.000 neue nachrücken. Wenn es hierzulande also keine große freiwillige Kündigungswelle gibt: Spielt dann auch „Quiet Quitting“ bei uns keine Rolle?

Quiet Quitting bedeutet nicht etwa, dass Menschen ohne viel Aufhebens ihre Jobs kündigen und sich still und leise verabschieden. Sondern vielmehr, dass sie innerlich kündigen, sich ihrer Arbeit nicht weiter verpflichtet fühlen und wenig bis keinen Einsatz erkennen lassen. Eine aktuelle Umfrage von EY zeigt zwar, dass 90 Prozent der Menschen mit ihrer momentanen Stelle zufrieden sind. Allerdings hat eine Gallup-Studie herausgefunden, dass zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland bei ihrer Arbeit nicht emotional involviert sind. Sie machen „Dienst nach Vorschrift“, engagieren sich nicht über die Aufgaben der Stellenbeschreibung hinaus und interessieren sich kaum für innovative Ideen und das gewisse Extra.

Ein TikTok-Video hat Quiet Quitting einem großen globalen, vorwiegend jungen Publikum bekannt gemacht. Nachdem das Phänomen zuerst in den USA auch außerhalb der sozialen Medien in großen Zeitungen wie der New York Times verhandelt wurde, kamen der Trend und die gar nicht mal so leise Diskussion dazu auch nach Deutschland. In zahlreichen Medien liest und hört man dieser Tage vom „Dienst nach Vorschrift“ und was er bedeutet. Der Spiegel fragt, „Warum Dienst nach Vorschrift trendet“, die Welt spricht von einem „Faible der Generation Z“ und die FAZ erkundigt sich bereits nach dem Potenzial für Verbote.

Quiet Quitting erscheint auf den ersten Blick als positive Emanzipationsbewegung weg von toxischen und ausbeuterischen Arbeitsstrukturen. Die Leistung zu liefern, die nach Stellenbeschreibung verlangt wird, und keine unbezahlten Überstunden machen zu wollen: Das sollte nicht kontrovers sein. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen einem Unternehmen, das dafür sorgt, dass sich seine Beschäftigten nicht zu unbezahlten Überstunden verpflichtet fühlen – und Beschäftigten, die nur das absolute Minimum an Arbeit leisten. Genau dieser Unterschied ist es, den es zu verstehen gilt. Mitarbeiterengagement ist hier der Schlüssel.

Mitarbeiterengagement und Quiet Quitting

Wie würde sich ein engagierter Mensch bei der Arbeit verhalten? Engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben ein aktives Interesse an ihrem Arbeitsplatz. Sie erledigen ihre Arbeit nicht nur, um am Ende des Tages irgendwelche To-dos durchstreichen zu können – vielmehr sind sie stolz auf die Projekte, an denen sie beteiligt sind. Sie begeistern sich für die Mission des Unternehmens und den Beitrag, den sie in ihrer Rolle zu kurz- und langfristigen Zielen leisten. Sie fühlen sich von ihren Führungskräften wahrgenommen und respektiert. Sie sehen für sich eine Zukunft im Unternehmen, sei es in ihrer jetzigen Funktion oder in einer anderen. Kurz gesagt, sie bringen sich selbst voll und ganz in die Arbeit ein.

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nicht besonders engagiert sind, machen im Grunde nur das Nötigste, um nicht gekündigt zu werden, wachsen aber nicht über sich hinaus. Falls sie sich nicht schon um einen neuen Job bemühen, sind sie wahrscheinlich kurz davor – oder verhandeln ihre Optionen mit sich selbst. Die Gründe für vermindertes Engagement können sehr vielseitig sein: schlechtes Management, Burnout oder auch persönliche Probleme. Wenn Unternehmen Mitarbeiterengagement messen, können sie Veränderungen aber erkennen und somit Phänomenen wie dem Quiet Quitting frühzeitig entgegenwirken.

Wenn wir bei Workday das Mitarbeiterengagement messen, dann tun wir das, indem wir vier ergebnisorientierte Fragen stellen. Auf einer Skala von 0 bis 10 geben alle Teilnehmenden Auskunft zu Advocacy (Interessenvertretung), Loyalität, Zufriedenheit und Einstellungen. Diese beobachtbaren Verhaltensweisen entsprechen dem, was wir von engagierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erwarten würden, die mit vollem Einsatz in ihrer Rolle aufgehen. Es sind aber auch die Bereiche, die am ehesten leiden, wenn jemand sich langsam, still und heimlich innerlich verabschiedet. Deswegen sind Umfragen zum Engagement ein erstes starkes Mittel gegen Quiet Quitting beziehungsweise nicht engagierte Beschäftigte.

Quiet Quitting ist ein globales Problem

Der Begriff Quiet Quitting und der damit verbundene Hype erwecken den Eindruck, als würde es sich um eine neue Entwicklung handeln. Dabei sind die Probleme rund um mangelndes Engagement, Burnout und Arbeitsunzufriedenheit nicht erst seit gestern aktuell und zudem weit verbreitet. Wenn man Quiet Quitting vorschnell als neuen Trend abtut, riskiert man nicht nur, dass sich das Engagement weiter verringert, sondern übersieht auch die wahren Gründe, warum sich Menschen von ihrer Rolle und ihren Aufgaben zurückziehen. Hier sind drei Beispiele für ähnliche Phänomene und Begriffe weltweit.

„Involution“ und „Lying Flat“

Seit 2020 sind die Trends „Involution“ und „Lying Flat“ besonders in China allgegenwärtig. Involution ist das Gegenteil von Evolution und bezeichnet einen gewollten Stillstand, der im krassen Gegensatz zur „996-Kultur“ (sechs Tage die Woche von 9 bis 21 Uhr arbeiten) steht. Ebenso ist das Lying Flat, also das Liegenbleiben, eine ziemlich wörtlich formulierte Absage an dieselbe Kultur der Betriebsamkeit. Für jüngere Generationen, von denen erwartet wird, dass sie ununterbrochen arbeiten, scheint Stillstand erstrebenswerter zu sein.

„Dienst nach Vorschrift“

Der Ausdruck „Dienst nach Vorschrift“ kommt aus der Verwaltung und steht dort für eine Art des Streiks – ohne wirklich zu streiken, denn das durfte und darf man beispielsweise als Beamter nicht. „Dienst nach Vorschrift“ zu machen, ist eine Form des Widerstands und bedeutet, dass sich mehrere Menschen zusammentun und wirklich ganz penibel nur das erledigen, was in ihren Stellenbeschreibungen steht. Kurze Dienstwege, beschleunigte Prozesse, effizientes Arbeiten – das findet ganz absichtlich nicht statt. Diese Form des Arbeitens soll die Produktivität senken und dabei auf unfaire Arbeitsbedingungen hinweisen. Der „Dienst nach Vorschrift“ heißt auch „Bummelstreik“.

„Coasting“

Wie Involution ist „Coasting“ ein weiteres aktuelles Beispiel für Menschen, die mit einem Mangel an beruflicher Erfüllung kämpfen. Im Jahr 2018 ergab eine Studie unter 3.000 britischen Beschäftigten, dass 36 Prozent von ihnen das Gefühl hatten, „im Leerlauf zu sein“. Obwohl der Begriff Coasting in seiner Bedeutung weniger schwerwiegend ist als Quiet Quitting, definiert die Studie beides gleich: „sich gerade so viel Mühe geben, dass man am Ende des Tages nach Hause gehen kann“. Die Untersuchung unterstreicht, dass es den Befragten nicht an Ehrgeiz, sondern an Zielstrebigkeit mangelt.

Quiet Quitting – was Sie jetzt tun können

Maren Hoffmann, Redakteurin im Ressort Job und Karriere für das manager magazin und den Spiegel, hat erst kürzlich in einem Zwischenruf versucht deutlich zu machen, dass es bei Quiet Quitting um viel mehr als unzufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geht, die aus Frust absichtlich ihrem Unternehmen schaden wollen. Ganz im Gegenteil wolle der neue/alte Trend Grenzen ziehen und dazu aufrufen, auf sich selbst zu achten – zumindest aus der Sicht von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.

Wenn Begriffe wie Quiet Quitting viral gehen, besteht die Gefahr, dass der Rummel darum die Chance für differenzierte Gespräche zunichtemacht. Es geht eben nicht darum, die Beschäftigten zu mehr Produktivität zu zwingen. Ganz im Gegenteil macht Quiet Quitting etwas deutlich, was irgendwie ja schon immer gestimmt hat: Wer als Führungskraft aktiv zuhört, versteht, was im eigenen Team vorgeht, kann darauf eingehen und versuchen, das Engagement neu zu entfachen. Wir haben hier 3 Tipps zusammengestellt, wie Sie Quiet Quitting begegnen können.

1.   Fokus auf Leistung, nicht auf Zeit

Quiet Quitting basiert auf der Prämisse, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre vertraglich festgesetzten Stunden abarbeiten und dann Feierabend machen. Ohne Wenn und Aber. Mit Quiet Quitting lehnen sie sich gegen toxische Arbeitskulturen auf, die Stunden als Produktivitätsindikator nutzen und unbezahlte Überstunden als Zeichen für besonderen Leistungswillen ansehen. Dieser Fokus auf Zeit schafft aber eine schlechte Ausgangslage. Er vermittelt das Gefühl, dass der eigene Wert für das Unternehmen nur von der Anzahl der Stunden abhängt, die man vor Ort verbringt oder eingeloggt ist. Die Person wird sich dann nicht mehr auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: die Qualität der Arbeit und die Leidenschaft, mit der sie erledigt werden kann.

Was Sie tun können

  • Setzen Sie klare Ziele und stellen Sie sicher, dass diese Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) mit Ihrer allgemeinen Unternehmensstrategie und Ihrer Mission übereinstimmen. Wenn Ziele mit einer Deadline versehen sind: Stellen Sie sicher, dass der Grund für die zugewiesene Zeit klar ist. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verstehen, wie Arbeit und Leistung mit dem Erfolg des Unternehmens zusammenhängen, werden sie sich wahrscheinlich nicht besonders engagieren.
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten informiert sind, ohne dass sie sich auf einen bestimmten Weg „geschubst“ fühlen. Wenn Sie ihnen die Kontrolle über die eigene berufliche Entwicklung überlassen, zeigt das nicht nur Ihr Vertrauen in ihr Urteilsvermögen. Sie zeigen so auch, welche Bedeutung bisherige und zukünftige Leistungen für das Unternehmen haben.

2. Geben Sie auch denjenigen eine Stimme, die von sich aus eher leise sind

Wenn Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Frustration über ihren Job in den sozialen Medien diskutieren, dann ist in der internen Kommunikationskette etwas schiefgelaufen. Stille Mitarbeitende haben nicht etwa keine Meinung – ihnen wurde nur nicht die Möglichkeit gegeben, ihre Gedanken auf eine produktive Weise mitzuteilen. Ehrlichkeit mag die beste Politik sein, aber die Beschäftigten müssen wissen, dass ihre Meinung mit Respekt aufgenommen wird.

Was Sie tun können

  • Stellen Sie einen geschützten Bereich zur Verfügung, wie eine Umfrage zum Engagement, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertraulich ihre Gedanken über die gesamte Bandbreite ihrer Erfahrungen äußern können. Ohne die psychologische Sicherheit, die nötig ist, um ehrliches Feedback zu geben, werden sich einige wahrscheinlich zurückziehen und andere Wege finden, ihrem Frust Luft zu machen.
  • Oft liegt dem Quiet Quitting die Vorstellung zugrunde, dass es vergeblich ist, sich zu äußern – oder dass es sogar negative Auswirkungen haben könnte. Wenn Sie wollen, dass sich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren, müssen diese sehen, dass Feedback geschätzt wird. Sprechen Sie offen über die Trends, die Sie in den Umfrageergebnissen erkennen, sei es in Teambesprechungen, per E-Mail oder auf Plattformen wie Slack. Erläutern Sie die neue Strategie oder Richtlinie, die Sie daraufhin einführen. Machen Sie dann auch die Ergebnisse dieser Maßnahmen sichtbar.

3. Trainieren Sie Ihre Führungskräfte

Oft werden Führungskräfte aufgrund ihrer Expertise in eine bestimmten Funktion befördert. Dabei wird jedoch der wichtigste Teil der Position übersehen: Man muss täglich Menschen führen. Ohne die entsprechende Ausbildung und Unterstützung können Manager und Managerinnen Schwierigkeiten haben, echte Führung zu gewährleisten. Dann hat das gesamte Team damit zu kämpfen. Das richtige Training für Ihre Führungskräfte ist einer der wichtigsten Schritte, die Sie unternehmen können, um Quiet Quitting entgegenzuwirken.

Was Sie tun können

  • Geben Sie Ihren Führungskräften die Möglichkeit, sich sowohl als Manager oder Managerin zu äußern, aber auch als Mitarbeitende. Ihre Umfrage zum Mitarbeiterengagement sollte ermöglichen, Feedback zu Schulungen oder fehlenden Fähigkeiten zu geben. Außerdem sollten alle Führungskräfte die Möglichkeit haben, mit ihren Vorgesetzten unter vier Augen zu sprechen.
  • Ohne die richtigen Tools kann es schwierig sein, eine Führungskraft zu sein – vor allem in einer Arbeitswelt, in der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre neuen Vorgesetzten vielleicht nie persönlich kennenlernen. Mit einer Engagement-Plattform wie Workday Peakon Employee Voice erhalten Personalverantwortliche nicht nur Einblicke in Schwerpunktbereiche, in denen ihr Team derzeit Unterstützung benötigt. Ihnen werden auch automatisch generierte Maßnahmen auf der Grundlage der Engagement-Bewertungen ihrer Mitarbeiter vorgeschlagen.

Mit diesen Tipps können Sie es auch schaffen, Quiet Quitting vorzubeugen – auf allen Ebenen des Unternehmens.

Weiteres Lesematerial