Webber Wentzel: Innovationsförderung in der südafrikanischen Rechtsbranche

Der CIO von Webber Wentzel, einer renommierten Großkanzlei mit Sitz in Südafrika, sprach mit uns darüber, wie die Kanzlei diese schwierigen Zeiten durch den Einsatz von Technologie gemeistert hat und wie ihre Roadmap für die Zukunft aussieht.

Webber Wentzel gehört zu den fünf größten Firmen Südafrikas. Der Kanzlei gelang es, die Geschäftskontinuität während der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten. Ich habe mit Warren Hero, Chief Information Officer und Chief Digital Officer bei Webber Wentzel, darüber gesprochen, wie die Kanzlei die Pandemie durch den Einsatz von Technologie gemeistert hat und wie ihre Roadmap für die Zukunft aussieht. Dieser Artikel, der auf einer Episode des Workday Podcast basiert, erschien auch in der Zeitschrift smartCIO.

Könnten Sie uns Webber Wentzel und Ihre Rolle im Unternehmen kurz vorstellen?

Ich habe während meiner gesamten beruflichen Laufbahn im Technologiebereich gearbeitet. Am längsten war ich im Finanzsektor tätig. Vor meinem Wechsel zu Webber Wentzel, wo ich derzeit die Doppelfunktion des CIO und CDO innehabe, war ich bei Microsoft angestellt. Webber Wentzel ist eine renommierte Full-Service-Kanzlei, die sich um die Rechtsangelegenheiten ihrer Mandanten in den Bereichen Gesellschafts- und Handelsrecht, Streitbeilegung, Gerichtsverfahren sowie Fusionen und Übernahmen kümmert. Wir positionieren uns als die „Dealmaker des Jahrzehnts“, da wir hoch qualifizierte Spitzenanwälte beschäftigen. Bei komplexen Problemen bieten wir unseren Klienten erstklassige Rechts- und Technologieberatung.

Was können Sie über Ihren bisherigen Werdegang sagen? Wie ist es Ihnen gelungen, die Rolle des CIO und des CDO unter einen Hut zu bringen?

Meine Karriere nahm ihren Anfang im Finanzsektor, wo ich Callcenter bei der Umstellung auf digitale Kanäle unterstützte. Ich hatte das Privileg, einige der ersten online- und anrufbasierten Banking-Angebote des Landes einzuführen. Jemand hat einmal gesagt: „Wenn du keinen Platz am Tisch hast, dann bring einen Klappstuhl mit.“ So kam ich über Umwege ins Führungsteam und begann, mich eingehend mit den Themen Kundenerlebnis, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu befassen, die wiederum eng mit der Mitarbeitererfahrung verknüpft sind. Denn der wichtigste Indikator für einen engagierten und treuen Kunden oder Klienten ist ein motivierter Mitarbeiter. Aus der Analyse dieser Wechselbeziehung ergaben sich aus meiner Sicht sehr wertvolle Lektionen.

„Geistiges Eigentum hat für unsere Kanzlei oberste Priorität: Es geht darum, die juristischen Fachkenntnisse und die Verhaltenskompetenzen unserer Anwälte und Anwältinnen zu kombinieren.“

Ein weiterer wichtiger Meilenstein meiner Karriere war die Zeit bei Microsoft. In der Regel ist man als Beschäftigter eines Unternehmens auf die Perspektive dieses Unternehmens beschränkt. Doch in meiner Funktion als CTO bei Microsoft bot sich mir die Chance, mindestens 44 Kunden aus unterschiedlichen Branchen bei der digitalen Transformation zu begleiten. Dies hilft bei der Veranschaulichung von Problemen. Man bekommt ein Gespür dafür, was funktioniert und was nicht. Wie werden die Dinge in einem Jahr aussehen? Wie wird sich die Welt in drei Jahren verändert haben? Können wir Prognosen für 15 Jahre in der Zukunft stellen?

Während der Pandemie setzte Webber Wentzel Technologie ein, um juristische Fälle digital zu bearbeiten. Inwiefern hat die Digitalisierung eine tragende Rolle bei der Gewährleistung der Geschäftskontinuität gespielt?

Ich denke, das hat sehr viel mit dem Vertrauen unserer Beschäftigten und dementsprechend mit dem Vertrauen der Klienten zu tun. Im März letzten Jahres gingen wir in einen harten Lockdown. Zu dieser Zeit stand die Mobilität der Beschäftigten – nicht die der Technologie – im Mittelpunkt unserer Planung. Wir hatten unser Mobilitätsprogramm so gestaltet, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von überall aus arbeiten konnten. Als die Pandemie ausbrach, mussten wir nichts weiter tun, als einigen Leuten aus der Verwaltung Geräte zur Verfügung zu stellen.

Das machte einen großen Unterschied, denn in Südafrika arbeiten wir noch mit abrechenbaren Stunden. Als unsere Teams dann ins Homeoffice wechselten, konnten sie genauso produktiv arbeiten wie im Büro. Das war ein entscheidender Vorteil. 

Unsere Klienten legen viel Wert auf Zusammenarbeit während des gesamten Prozesses, nicht nur am Ende. Hier war uns die Technologie während des Lockdowns eine große Hilfe. So waren wir in der Lage, die Klienten nach einem kurzen Briefing in den Prozess einzubinden und zu ermitteln, auf welche Aspekte wir im jeweiligen Fall besonders achten müssen. Nach und nach schulten wir die Mitarbeiter darin, die Erkenntnisse aus diesen Besprechungen – z. B. Veränderungen im Tonfall oder Gesichtsausdruck des Klienten – zu deuten. All das sind wichtige Trigger, auf die wir eingehen müssen.

Wie stehen Sie zum Thema Cybersicherheit? Welche internen und externen Maßnahmen haben Sie in diesem Bereich für Ihre Klienten getroffen?

Probleme im Vorfeld erkennen zu können, ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Voraussetzungen. Signale richtig zu deuten, ist entscheidend. Die meisten traditionellen Modelle der Cybersicherheit basieren auf Listen. Doch Angreifer verwenden Graphen, da sie wissen, wie sie sich diese Technologie zunutze machen können, um in ein Unternehmenssystem einzudringen. Ein Teil unserer Arbeit besteht darin, auch unsere eigenen Graphen besser zu verstehen. Wenn wir dadurch mehr Transparenz gewinnen, können wir Angriffspunkte in unserem System besser identifizieren und interne Verhaltensprofile erstellen.

„Bei komplexen Problemen unterstützen wir unsere Klienten durch eine Kombination aus Rechts- und Technologieberatung. In diesem Bereich haben wir uns profiliert.“

Wir haben großen Wert darauf gelegt, all unsere Stammdatensysteme in die Cloud zu verlagern. Dadurch profitieren wir nun von einer cloudbasierten Lösung für das Dokumentenmanagement. Diese liefert uns Verhaltensprofile der einzelnen Anwender. Ergibt sich eine Abweichung von diesem Verhaltensprofil, bleibt dies nicht unbemerkt, selbst wenn die Person dieselben Zugangsdaten wie sonst verwendet.

Dieses graphbasierte Anwenderprofil wird von uns kontinuierlich in Echtzeit aktualisiert. Liegt eine Diskrepanz zwischen dem physischen Standort der Person bei der Anmeldung und ihren weiteren Aktivitäten vor, läuten bei uns sofort die Alarmglocken. 

Der nächste Aspekt betrifft die Gerätesicherheit. Jedes Gerät besitzt einen Systemstatus. Solange dieser Status keinen Anlass zur Sorge gibt, kann der Nutzer alle Ressourcen abrufen, die er benötigt. Dank konditionsbasierter Zugriffsrechte und automatisierter Playbooks, die im Hintergrund ausgeführt werden, muss unser Incident Response Team nicht aktiv auf jeden Sicherheitsvorfall reagieren und das entsprechende Playbook auswählen.

Und schließlich spielt natürlich auch der Datenschutz eine wichtige Rolle. Vertraulichkeit und die Wahrung des Anwaltsgeheimnisses sind Grundpfeiler unseres Markenversprechens als Anwaltskanzlei. Vor diesem Hintergrund binden wir Prozesse wie Datenkuratierung, Multi-Faktor-Authentifizierung sowie vorbeugende Maßnahmen gegen Datenverlust in unser Gerätemanagementkonzept ein. Alle Geräte werden verwaltet. Andernfalls dürfen keine Mandantendaten darauf gespeichert werden. Weil uns klar geworden ist, wie wichtig unser Managementsystem für Informationssicherheit ist, lassen wir es gerade für ISO 27001, 27002 von einer externen Prüfstelle zertifizieren.

Was können Sie uns über die Rechtsplattform von Webber Wentzel sagen? Was hat es damit auf sich und welche Rolle spielt Technologie bei der Entwicklung einer einheitlichen Plattform?

Geistiges Eigentum hat für unsere Kanzlei oberste Priorität: Es geht darum, die juristischen Fachkenntnisse und die Verhaltenskompetenzen unserer Anwälte und Anwältinnen zu kombinieren. Die Verhaltenskompetenzen können wir unserem Dokumentenmanagement-System entnehmen. Wir wussten, dass wir uns als Erstes einen ganzheitlichen Überblick über unsere Belegschaft verschaffen mussten. 

Wir entschieden uns für Workday als unsere erste cloudbasierte Plattform, um von dem erstklassigen Innovationskonzept zu profitieren und unsere sechs verschiedenen HR-Anwendungen zu konsolidieren. Inzwischen haben wir all unsere Systeme in einer Plattform vereinheitlicht. Dadurch konnten wir die Betriebskosten senken. Nun können unsere Teams der HR-Abteilung dabei helfen, den Recruiting-Prozess schneller zu starten. Dies hat Auswirkungen auf unseren Prozess zur Absolventenanwerbung: Wir rekrutieren Juristen direkt von der Universität. Daraufhin durchlaufen sie einen festgelegten Prozess. Und nach zwei Jahren können sie als vollwertige Legal Associates bei uns arbeiten. Effektive Strukturen in diesem Bereich sind für uns von fundamentaler Bedeutung – sowohl im Hinblick auf das Recruiting als auch das Onboarding.

„Während der Corona-Krise haben wir die Notwendigkeit und Chance erkannt, Finanzdisziplin und Cashflow-Prognosen zu verbessern.“

Hierzu gehören auch Diversität und Inklusion. Schwarze Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind relativ zum hohen Anteil schwarzer Menschen an der hiesigen Bevölkerung bei uns unterrepräsentiert. Indem wir unsere internen Einstellungspraktiken unter die Lupe nahmen, konnten wir uns in diesem Bereich Ziele setzen und ein Absolventenprogramm entwickeln, das auf eine faire Repräsentation ethnischer Gruppen ausgerichtet ist. 

Ein weiterer Aspekt ist unsere Kundenplattform, die es uns ermöglicht, Erkenntnisse vonseiten des Klienten zu berücksichtigen. Auch hier gilt: Wenn uns ein Klient Informationen zu einem Fall an die Hand gibt, sind wir nicht länger darauf angewiesen, dass der betreuende Anwalt diese Erkenntnisse weitergibt. All diese Daten sind in Workday abrufbar. Durch den Rückgriff auf diese Wissensbasis können wir für jeden Klienten ein Team zusammenstellen, das auf seine individuellen Ansprüche zugeschnitten ist. 

Dann gibt es noch den Bereich „Finance and Operations“. Unsere Kanzlei ist auf Profit ausgelegt, doch wir sind uns dabei unserer ethischen Verantwortung bewusst und achten auf Nachhaltigkeit. Eine disziplinierte Finanzverwaltung und vorausschauendes Cashflow-Management sind für uns unerlässlich. In diesem Bereich dürften sich durch Corona die größten Chancen ergeben haben. Uns war klar, dass wir echtzeitbasierte Einblicke in den Cashflow erhalten mussten. 

Der letzte Aspekt unserer Plattform betrifft die Innovation. Einer meiner Mentoren hat immer gesagt, dass es wichtig ist, zu wissen, wann man die Axt benutzen und wann man sie schärfen muss. Dieser Aspekt kommt bei unserem Innovationskonzept zum Tragen.

Können Sie Ihren Ansatz für Datenmanagement und optimierte Datennutzung erläutern?

Wir betrachten diesen Bereich nicht als technologisches, sondern als organisatorisches Problem. Diese Einordnung war ein wichtiger erster Schritt im Hinblick auf unsere Strategie. Ein weiterer war die Klärung der Verantwortlichkeiten: In jedem Geschäftsbereich gibt es einen Systemverantwortlichen, der für die Kompetenzentwicklung in diesem Bereich zuständig ist. Im Mittelpunkt unseres Geschäftsmodells stehen die Klienten. Davon ausgehend bestimmen wir, welche Kompetenzen wir zur Erfüllung unseres Leistungsversprechens entwickeln müssen. Dann denken wir ganz konkret über unsere Geschäftsfunktionen nach. 

Wenn wir alles richtig machen, schlägt sich das Verständnis dieser unterschiedlichen Komponenten unseres Geschäftsmodells im Unternehmensergebnis nieder. Ein datengestütztes Modell war für uns entscheidend und es ist uns gelungen, den Kern unserer Belegschaft in den Bereichen Datenwissenschaft und deren Anwendung sowie Dashboards, Benutzeroberfläche und deren Funktionsweise auszubilden. Schließlich können wir nur dann einen echten Mehrwert aus den Daten ziehen, wenn wir sie in einen Kontext einbinden. Das ist der Knackpunkt – die Fähigkeit, von der Makroebene auf die Mikroebene zu wechseln und dann wiederum aus den Details ein ganzheitliches Bild zu formen.

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