Neue Leadership-Modelle
Der Sprung vom Buchhalter zum Geschäftsführer mag für eine Funktion, deren Hauptaufgabe noch bis vor Kurzem die Finanzverwaltung war, auf den ersten Blick wie eine kaum zu bewältigende Herausforderung wirken. Doch tatsächlich spiegelt der aktuelle Trend eine Verschiebung in der Zusammensetzung des Führungsteams wider, wie sie für Zeiten eines tiefgreifenden technologischen Wandels typisch ist.
So wurde Donaldson Brown 1924, drei Jahre nach seinem Einstieg ins Unternehmen als Treasurer, in das Board of Governors von General Motors berufen. Dies geschah zu seiner Zeit, als die Massenproduktion von Automobilen den Verkehr, den Handel und die Mobilität völlig neu definierte.
Ein Jahrzehnt zuvor hatte der Amerikaner die als „DuPont-Formel“ bekannte Kapitalrendite (ROI) entwickelt. Damals galt die ROI-Methode zur Bewertung der Effizienz von Geschäftsprozessen als revolutionär. Browns Finanzprinzipien – seine Fokussierung auf den ROI und sein dezentrales Management-System – wurden zur Grundlage der Finanzpraktiken der modernen Geschäftswelt. Seine innovative Herangehensweise an betriebswirtschaftliche Analysen und Managementpraktiken prägt noch immer unser Verständnis der Geschäftsführung, bei der die Bedeutung der Finanzkennzahlen bei strategischen Entscheidungen im Vordergrund steht.
Ein Jahrhundert später entstehen durch KI und Cloud-Analysen erneut Wettbewerbsvorteile, die für eine nie gekannte Dynamik sorgen. Die Komplexität der Daten verstärkt die wirtschaftliche Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund unterstützen und fördern Vorstände eine neue Generation von technologisch versierten, auf Chancen fixierten Finanzchefs, denen die Aufgabe zuteil wird, die betriebliche Agilität zu erhöhen.
Die Vorliebe moderner Board-Mitglieder für CFOs mit technologischen Fachkenntnissen dürfte niemanden überraschen, unterstreicht sie doch den Ruf nach einer risikobereiten und visionären Führung in einem schwierigen makroökonomischen Umfeld.
Inzwischen werden Datenmengen, die für herkömmliche Analysen zu umfangreich sind, von Algorithmen verarbeitet. In diesem Umfeld versprechen Führungskräfte, die finanzielle und technologische Fachkenntnisse vereinen, optimale Entscheidungen durch prädiktive Einblicke. Cleveren CFOs, die KI mit einem Kulturwandel verbinden, statt überstürzt Personal abzubauen, kann es gelingen, die Betriebsmodelle im Einklang mit dem beispiellosen Tempo des Wandels zum Positiven zu verändern.
Allerdings führt die Technologie zu neuen Leadership-Konventionen. Darum sollten CFOs darauf achten, dass sie Mitarbeiter, die nicht an durch Automatisierung gestützte Hierarchien gewöhnt sind, nicht verprellen. Diese Geschäftsführer in spe müssen den psychologischen Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber achten, um dauerhafte Autorität zu erlangen und neues Vertrauen zu schaffen.
Förderung einer Kultur der Weiterqualifizierung
Unter dem Thema „Rebuilding Trust“ stand auch die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums im Januar. In diesem Bereich müssen CFOs und andere Mitglieder der Führungsetage Verbesserungen anstreben. Laut dem Edelman Trust Barometer 2024 vertrauen nur 61 % der über 32.000 Befragten weltweit darauf, dass Führungskräfte offen sprechen. Damit wird ihnen noch weniger Glauben geschenkt als einem Regierungschef (-2 %). Hoch bezahlte CEOs mit einer steilen Karriere im Finanzwesen könnten diese Kluft noch vergrößern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die neuen Chefs die Finanzziele über die Unternehmenskultur stellen und damit das gegenseitige Verständnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern beschädigen.
Darüber hinaus können CEOs, die aus dem Finanzbereich kommen, übermäßige Führungsgehälter begrenzen, um die Vertrauensbasis zwischen Management und Belegschaft zu stärken. Hier lohnt die Betrachtung einer Studie des britischen High Pay Centre von Anfang Januar, die zeigt, dass das durchschnittliche Gehalt eines CEOs in einem FTSE 100-Unternehmen (ohne Renten) derzeit bei 3,81 Millionen GBP liegt – das 109-fache dessen, was ein Vollzeitbeschäftigter durchschnittlich verdient (34.963 GBP), und ein Anstieg von 10 % seit letztem März.
Trotz sich aufhellender wirtschaftlicher Aussichten müssen CFOs erkennen, dass die Verbesserung der unternehmensweiten Zusammenarbeit und die Pflege der Unternehmenskultur langfristig ihren Einfluss nachhaltiger festigt als die Fixierung auf kurzfristige Gewinne und den persönlichen Kontostand.
„Bei der Entwicklung der Führungsqualitäten setzt sich als neuer Trend die verantwortungsvolle Verwaltung durch: ein Verständnis dafür, dass der Erfolg eines Unternehmens letztendlich davon abhängt, ob es den Führungskräften gelingt, das Unternehmen so aufzustellen, dass es über ihre Amtszeit als CEO oder CFO hinaus erfolgreich ist“, so Sasha Young, Entwicklungscoach für Führungskräfte in Finanzmärkten. „Die entscheidende Frage für progressive CFOs lautet: ‚Wie kann ich mein Unternehmen in betriebswirtschaftlicher und kultureller Hinsicht so hinterlassen, dass es für die Zukunft möglichst gut gerüstet ist?‘“