Das Jahr 2020 war in gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht transformativ. Nie zuvor waren Unternehmen aufgrund eines vollständigen Shutdowns zu Änderungen an ihrer Arbeitsumgebung und ihren Arbeitsmethoden gezwungen. Doch jede Herausforderung birgt auch Chancen. Wenn es um Ausrichtung und Strategie des Unternehmens geht, setzen CEOs zunehmend auf die Empfehlungen der Finanzfunktion. Man könnte daher argumentieren, dass die Gelegenheit, Einfluss zu nehmen, für diese nie günstiger war.
Die Tage der bloßen Zahlenhörigkeit im Finanzwesen sind gezählt: Die moderne Finanzabteilung vereint traditionelle Aufgabenbereiche mit der wachsenden Nachfrage nach datenbasierten Analysen und Erkenntnissen, die als Basis für Wachstum und Strategie dienen. All dies geschieht vor dem Hintergrund eines hochgradig dynamischen Geschäfts- und Regulierungsumfelds.
Diese Kräfte führen dazu, dass die Rolle des Chief Financial Officer (CFO) sowie anderer leitender Finanzführungskräfte wie Controller, FP&A Leader, Treasurer und Auditor neu definiert wird. Darum stellt sich die Frage, welche zukunftsorientierten Kompetenzen, Kenntnisse, Schwerpunktbereiche und innerbetrieblichen Networking-Skills Führungskräfte im Bereich Finanzen beherrschen sollten, die über den Karrierepfad eines traditionellen Buchhalters hinausgehen. In diesem Artikel geht es um diese neuen, aber auch um einige traditionelle Kompetenzen, die die Finanzfunktion zum strategischen Berater des Führungsteams machen.
Die neue Normalität geht mit neuen Erwartungen und Kompetenzen einher
Nicht nur das Ausmaß, auch die Komplexität wichtiger Aufgabenbereiche der Finanzfunktion wie Treasury Management, Steuerreporting und Auditing hat zugenommen. Dies erfordert umfangreichere Fachkenntnisse und neue Kompetenzen. Finanzführungskräfte sind heute nicht selten für Bereiche wie das Risikomanagement verantwortlich. Auch die IT und andere wichtige Geschäftsfunktionen unterliegen ihrer Kontrolle. Buchhaltung ist nicht mehr die Hauptaufgabe der Finanzabteilung.
Ständig ist derzeit von einer neuen Normalität die Rede. Doch fest steht, dass die Zeit nach der Pandemie viele Gewohnheiten in der Geschäftswelt auf den Kopf stellen wird. Vor diesem Hintergrund werden CEOs auf Finanzführungskräfte setzen, die nicht nur über Berufserfahrung in der Buchhaltung verfügen, sondern sich auch im operativen Bereich auskennen und ein breites Spektrum an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen besitzen.
Eine Studie der Unternehmensberatungsfirma Korn Ferry unter den 1.000 größten börsennotierten Unternehmen in den USA belegt den Trend hin zu neuen Kompetenzen. Demnach waren im letzten Jahr nur noch 36 Prozent der CFOs zertifizierte Wirtschaftsprüfer. 2014 waren es noch 50 Prozent.
In derselben Studie stuften fast die Hälfte (45 Prozent) der befragten CFOs die Auswertung operativer Daten (z. B. Reporting und Analysen) und die Strategieförderung als wichtigste Kompetenzen der Finanzfunktion ein – wichtiger noch als fachliche Kernkompetenzen.
Wenn es um die Kompetenzanforderungen für Finanzfachkräfte geht, so scheint das Schlüsselwort Diversifizierung zu lauten. CEOs haben Kandidaten mit einem beruflichen Hintergrund im Buchhaltungsbereich keineswegs abgeschrieben. Vielmehr legen sie bei der Wahl der Finanzführungskräfte für ihr Unternehmen ein breiteres Kompetenzspektrum zugrunde.
„Unabhängig von ihrer ursprünglichen Ausbildung sollte die Person in dieser Position ihr Kompetenzprofil ständig weiterentwickeln“, so Bob Ryan, Executive Adviser bei Shields Meneley Partners, einer Beratungsfirma für die berufliche Neuorientierung von Führungskräften, in einem Artikel des Wall Street Journal.
Datenwissenschaft als Kernkompetenz für Finanzführungskräfte
Zugriff auf Daten und handlungsorientierte Erkenntnisse ist heute eine Voraussetzung für den geschäftlichen Erfolg. Auch hilft er Unternehmen, neue Marktchancen zu erkennen, das Kundenerlebnis zu verbessern, die Geschäftsplanung zu fördern und Veränderungen und Innovationen zu unterstützen. CEOs erwarten von CFOs und Finanzteams, dass sie Analysen und Erkenntnisse liefern, die als strategische Basis und Entscheidungsgrundlage dienen.
CFOs und Finanzteams müssen sich auch auf die Auswertung nicht finanzieller Daten verstehen, um eine Entscheidung in einen begründenden Kontext zu setzen und Was-wäre-wenn-Fragen beantworten zu können.
Dr. Ilya Strebulaev, Professor of Finance an der Stanford University, glaubt, dass sich Datenkompetenz als geschäftskritisch erweisen wird. „Wir sind heute von einer ständigen Datenflut umgeben und verfügen über die Technologie, um diese Daten zu evaluieren und auf dieser Basis Entscheidungen im Hinblick auf Kunden, Mitbewerber, Märkte und viele weitere Faktoren zu treffen“, führt er aus. „CFOs müssen in der Lage sein, all diese Daten – nicht nur die Finanzkennzahlen – einzusetzen, um betriebswirtschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und Entscheidungen zu untermauern. Unternehmen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, werden untergehen.“
Technologie wird eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Bereitstellung aktueller, jederzeit abrufbarer und relevanter Daten spielen. Neue, cloudbasierte Finanzmanagement-Lösungen, In-Memory-Datenbanken, Visualisierung und Mobilität versetzen Finanzführungskräfte in die Lage, nicht nur historische Finanzdaten zu analysieren, sondern darüber hinaus Echtzeit-Einblicke in die geschäftliche Performance zu gewinnen. Vor allem aber erleichtern sie es ihnen, diese Einblicke anderen Führungskräften zugänglich zu machen, wodurch entsprechende Partnerschaften zusätzlich gestärkt werden.
Künftig werden Finanzteams stärkeren Gebrauch von fortschrittliche Analysen machen, um prädiktive Modelle zu erstellen und bessere Prognosen zu entwickeln. Technologie- und Systemkenntnisse sowie die Fähigkeit, ein größeres Maß an Effizienz, Agilität und Einsicht zu ermöglichen, werden sich als unverzichtbar erweisen.
Robynne Sisco, Co-President und CFO bei Workday, stimmt dieser Einschätzung zu: „Die Finanzführungskräfte von morgen müssen sich im Hinblick auf ihre Rolle und ihren Aufgabenbereich die Frage stellen, wie sie Technologie einsetzen werden, um ihre Arbeitsmethoden zu verändern. Wir möchten erreichen, dass die Finanzabteilung weniger Zeit damit verbringt, Daten zu erfassen und zu überprüfen, und sich stärker darauf konzentriert, Zusammenhänge zu erkennen und die Auswirkungen auf das Unternehmen zu erläutern, um Entscheidungen aus finanzieller Sicht zu bewerten.“
Ob es der Finanzabteilung gelingen wird, eine strategische Rolle zu übernehmen, wird vorrangig von ihrem Geschick abhängen, die nötigen Kompetenzen aufzubauen, um von digitalen Technologien wie künstlicher Intelligenz und Machine Learning zu profitieren. Dies erfordert einen Wechsel zu Kompetenzprofilen mit einem stärkeren Fokus auf technischen Qualifikationen und bessere Beziehungen zum IT-Führungsteam, um eine effektivere Zusammenarbeit beider Funktionen zu erreichen.