Freudenberg Filtration Technologies ist ein globales Unternehmen, das Luft- und Flüssigkeitsfilter herstellt. Es ist Teil der Freudenberg Gruppe, einem globalen Technologieunternehmen mit 49.000 Mitarbeitern rund um den Globus. Für das Unternehmen ist Diversity ein zentrales Thema. Es geht dabei nicht nur um eine bestimmte Art Diversity im Sinne von Geschlechtern, sondern vielmehr um die Vielfalt des Denkens, der Jobklassifikationen und der Erfahrungen. Deswegen hat Freudenberg Diversity-Counsils gebildet und strategische Visionen entwickelt, um die Vielfalt und Inklusion innerhalb des Unternehmens zu verbessern. Ein spezifisches Beispiel ist ein langfristiges Ziel, den Anteil von Frauen unter den Top 50 Führungskräften des Unternehmens in 10 Jahren von 5% auf 20% zu erhöhen, indem man eine starke Pipeline aufbaut und sich auf die Karriereentwicklung konzentriert. 

Wir sprachen kürzlich mit einer der Führungskräfte bei Freudenberg, Edna Lauer. Sie ist CIO bei Freudenberg Filtration Technologies,  und sprach im Interview über Vielfalt, "Do it yourself IT" und ihre Erfahrungen in ihrer 18-jährigen Karriere im Technologiebereich.

IT und Technik stehen bei vielen jungen Frauen nicht unbedingt ganz oben auf der Liste ihrer Berufswünsche, zumindest ist das die gängige Meinung. Was hat Sie dazu bewogen, eine Karriere in der IT zu beginnen?

Ich war schon immer fasziniert davon, wie Unternehmen und ihre Prozesse funktionieren, z. B. wie eine Kundenbestellung von der gesamten Firma bearbeitet wird. Und ich habe schon immer gerne mit Menschen gearbeitet. Aber ich muss zugeben, dass mich auch schlechte Prozesse schon immer geärgert haben. Ich bin ein fauler Mensch und das motiviert mich, Prozesse besser zu machen.

Ich habe mir überlegt, wie ich dazu beitragen kann, Unternehmen erfolgreicher zu machen, Geschäftsprozesse zu verbessern und Kunden zufriedener zu machen. Also entschied ich mich für ein Studium der Wirtschaftsinformatik. Das war die perfekte Entscheidung für mich, denn ich arbeite mit Menschen zusammen, bin nah an der Wirtschaft und helfe Unternehmen, ihre Prozesse zu verbessern.

Vielfältige Teams bringen viel mehr Leistung. Und mit vielfältig meine ich nicht nur geschlechtliche Vielfalt, sondern auch kulturelle Vielfalt.

Haben Sie ein Beispiel dafür, wie Sie diese Prinzipien bei Freudenberg anwenden und dabei helfen, Prozesse zu verbessern?

Es beginnt damit, dass meine Abteilung keine klassische IT-Abteilung ist, sondern CPIM heißt. CPIM steht für Corporate Processes and Information Management. Wir kombinieren verschiedene Disziplinen: Im Bereich der Unternehmensprozesse wenden wir Lean-Methoden an, um die Prozesse effizienter und stringenter zu gestalten und auch die Zuständigkeiten klarer zu definieren. Wenn diese Prozesse gestrafft sind, nutzen wir unser IT-Know-how, um auch Prozesse zu automatisieren. So ist ein bunter Strauß entstanden, der zeigt, wie wir jeden Tag für unsere Kunden etwas bewirken, sowohl intern als auch extern. Das ist sehr motivierend.

Die Technologiebranche ist viel diverser, als wir normalerweise denken. Aber wie können wir vor allem noch mehr Frauen ermutigen, eine Karriere in der Technologiebranche anzustreben? Wo stehen wir heute, wenn es um die Diversität in der IT geht?

Ich denke, es hat sich schon viel getan. In meiner Beraterlaufbahn habe ich immer mehr Frauen in der IT gesehen. Aber es sind nicht nur positive Erfahrungen. Ich erinnere mich an ein Projekt-Kick-off in den USA, bei dem mich ein männliches Teammitglied von oben bis unten musterte und sagte: "Mal sehen, wie oft du heute deine männlichen Kollegen um Hilfe bitten musst." Am Ende unserer gemeinsamen Zeit hatte sich seine Sichtweise völlig verändert - er sagte, er habe noch nie so viel während eines Projekts gelernt.

Es ist nicht ungewöhnlich, mit dieser Art von Erfahrungen konfrontiert zu werden. Das kommt vor. Aber ich habe gelernt, dass es sich in solchen Situationen nicht immer um bewusste Diskriminierung von Frauen handelt, sondern eher um unbewusste Vorurteile. Daraus entwickeln sich Verhaltensweisen, wie ich sie erlebt habe. Übrigens kann man dieses Verhalten bei Frauen genauso gut beobachten wie bei Männern. Ich bin überzeugt, dass heute nur noch wenige Menschen an solche antiquierten Stereotypen glauben. Was wir jedoch sehen, sind unbewusste Verhaltensweisen, die aus eingeprägten Mustern aus der Vergangenheit hervorgehen.

Glauben Sie, dass bereits wir genug tun, um den Frauen im Technologiesektor die Türen zu öffnen?

Auf jeden Fall noch nicht. Ich glaube, dass viele Unternehmen, auch wir bei Freudenberg, jetzt viel tun, um Frauen in Führungspositionen zu bringen, vor allem im Tech-Bereich. Ich glaube aber auch, dass diese diskriminierenden Verhaltensweisen, die ich gerade erwähnt habe, ihren Ursprung in einer viel früheren Phase haben. Ich glaube, dass sie wirklich aus unserer frühesten Kindheit und Erziehung stammen. Wir zeigen solche Verhaltensweisen, weil wir einfach so geprägt worden sind. Ich glaube, dass die Verantwortung der Unternehmen in dieser Hinsicht eine Grenze erreicht hat.

Natürlich können Unternehmen eine Menge tun, um Frauen zu ermutigen, technische Berufe zu ergreifen. Ich bin überzeugt, dass wir das auch weiterhin tun und intensivieren sollten. Aber darüber hinaus denke ich, dass die Gesellschaft als Ganzes die Verantwortung hat, mit der Förderung von Frauen früh zu beginnen, vor allem in ihrer Kindheit und in ihrer Erziehung, damit die nachfolgenden Generationen eine grundlegend andere Perspektive bekommen.

Sie haben viele Jahre Erfahrung in der Technologiebranche. Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von diversen Teams im Technologiesektor?

Vielfältige Teams bringen viel mehr Leistung. Und mit vielfältig meine ich nicht nur die Geschlechtervielfalt, sondern auch die kulturelle Vielfalt. Heute sind viele Unternehmen global aufgestellt oder arbeiten international mit unterschiedlichen Kulturen und Perspektiven. Und das ist großartig! Je mehr unterschiedliche Perspektiven wir bei der Entwicklung einer Lösung nutzen, desto besser und stabiler wird diese Lösung sein. Mehrere Perspektiven können aber auch zu Reibungen führen. Ich glaube, dass die Zukunft denjenigen gehört, die in der Lage sind, diese Unterschiede in Stärken zu verwandeln. Viele Frauen haben ein gutes Gespür dafür, Teams zu vereinen und nicht zuzulassen, dass diese Unterschiede in Reibereien untergehen.

Je mehr unterschiedliche Perspektiven wir bei der Entwicklung einer Lösung nutzen, desto besser und stabiler wird diese Lösung sein.

Welche Rolle spielen Peergroups oder weibliche Vorbilder in diesem Zusammenhang?

Ich denke, wir sollten diese Rolle nicht unterschätzen. Wir haben bei Freudenberg ein Netzwerk namens Women at Work aufgebaut. Das ist genau der Ort, an dem wir Solidarität aufbauen wollen. Unterschiedliche Perspektiven, von sehr jungen, talentierten Frauen bis hin zu erfahrenen Frauen, werden zusammengebracht, um einfach ihre Erfahrungen auszutauschen.

Es ist einfacher, wenn du weißt, dass du nicht allein bist. Das Women at Work Netzwerk ist wirklich erfolgreich. Es wird sehr gut angenommen und schafft einen Raum für Frauen, um Vorbilder persönlich kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, sich einzugestehen, dass es in unserer eigenen Verantwortung liegt, unsere Karriere zu gestalten. Das kann niemand auslagern. Es spielt keine Rolle, ob wir ein Netzwerk haben oder nicht. Die Verantwortung liegt und bleibt bei jedem Einzelnen.

Welche Rolle können männliche Teammitglieder spielen, um weibliche Kollegen in der Tech-Welt bestmöglich zu unterstützen?

Ich denke, das Wichtigste ist, sich dessen bewusst zu sein. In den Situationen, die ich beobachtet habe und die ziemlich schwierig waren, war sich die überwältigende Zahl der Männer nicht einmal der Auswirkungen dessen bewusst, was sie gerade gesagt oder getan hatten. Ich habe ein Beispiel: Vor ein paar Jahren bekamen wir einen neuen Vorgesetzten in einem Team. Wir hatten unsere erste Teambesprechung und er schaute sich um, um zu sehen, wer Protokoll führen würde. Natürlich meldete sich niemand und ich wurde gebeten, das erste Protokoll zu schreiben, was ich auch tat. Bei der zweiten Teambesprechung war es ganz ähnlich. Natürlich wollte auch hier niemand freiwillig ein Protokoll schreiben und wieder wurde ich herausgegriffen. Diesmal antwortete ich jedoch sofort, dass ich gerne das Protokoll schreiben würde, wenn jeder anwesende Mann auch einmal die Möglichkeit hätte, ein Protokoll zu schreiben. Was folgte, war eine längere Pause und ich habe nie wieder ein Protokoll geschrieben.

Der Kollege, der genau diese Frage nach dem Protokollieren gestellt hat, hat sicher keine Vorurteile gegenüber Frauen oder der Leistung von Frauen. Und doch waren das seine Handlungen. Ich denke, Bewusstsein ist der Schlüssel. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, wann man unbewusst voreingenommen handelt oder ein Verhalten an den Tag legt, das nicht unbedingt der Vielfalt dient. Eine Schulung zu diesem Thema würde ich wirklich jedem empfehlen.

Welche Rolle spielt die Technologie bei all dem?

Oh, das ist eine gute Frage. Zunächst einmal ist die Technologie geschlechtsneutral. Ich möchte gerne eine Geschichte aus der Freudenberg Gruppe erzählen. Wir haben Workday als globales HR-Tool eingeführt, mit dem wir - zum ersten Mal in unserer langen Unternehmensgeschichte - feststellen konnten, wo wir in Bezug auf die geschlechtliche und geografische Vielfalt stehen.

Mit dieser Transparenz können wir nun gezieltes Recruiting, Planung und mehr durch gezieltes Talentmanagement etablieren. Wir streben zum Beispiel an, dass bis 2025 mindestens 25 Prozent unserer Führungskräfte weiblich sind. Die Transparenz, die wir mit Workday erreicht haben, spielt eine sehr wichtige Rolle dabei, dieses Ziel strukturiert zu verfolgen und zu erreichen.

Viele Frauen haben ein gutes Gespür dafür, Teams zu vereinen und nicht zuzulassen, dass diese Unterschiede in Reibereien untergehen.

Welche IT-Trends beschäftigen Sie im Moment? Worauf sollten IT-Fachleute Ihrer Meinung nach in Zukunft achten?

Ich denke, wir sollten sehr stark auf den Markt und unsere Kunden schauen. Kundenorientierung ist meiner Meinung nach das, was unsere Unternehmen erfolgreich macht. Und die IT sollte einfach so gestaltet sein, dass sie uns erfolgreich macht. Wie können wir also IT und Digitalisierung nutzen, um erfolgreicher mit und für unsere Kunden zu handeln? Das ist sicherlich ein Trend, der mich jeden Tag begleitet.

Das zweite Thema ist das, was ich "Do it yourself IT" nenne. Die IT ist oft ein Engpass. Deswegen wollen wir die IT in einen Enabler (dt. Befähiger), für unser Unternehmen verwandeln. Dazu muss ich Technologien auswählen, die es meinen Nutzern ermöglichen, die IT so einfach wie möglich zu nutzen.

In der Vergangenheit hat die IT zum Beispiel Datenstrukturen und Berichte erstellt. Aber es dauert seine Zeit, bis eine Geschäftseinheit ihre Berichtsanforderungen so formuliert hat, dass die IT-Abteilung sie umsetzen kann. Wir sehen immer mehr Technologien und Produkte, bei denen IT Data Cubes (Datenpakete) oder Daten so bereitgestellt werden, dass die Geschäftsbereiche ihre eigenen Berichte und Dashboards hinzufügen können. Das schafft enorme Flexibilität, weil die Abteilungen ihre Ideen einfach selbst umsetzen können. Das ist meine Vision von "Do it yourself IT". Unsere Nutzerinnen und Nutzer sollen in die Lage versetzt werden, die IT selbst zu nutzen, sie aber auch selbst zu gestalten, und zwar im Rahmen der IT, der Governance und der Sicherheit, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Welchen Rat würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich und anderen Frauen geben, die gerade ihre Karriere beginnen?

Ich habe einige Erfahrungen und ein oder zwei Beispiele aus meiner Vergangenheit geteilt. Solche Erfahrungen können natürlich verunsichern und deshalb würde ich meinem 18-jährigen Ich und anderen jungen, talentierten Frauen da draußen raten: Bleib mutig und verfolge deine Ziele konsequent.

Es gab eine Zeit, da habe ich jeden Morgen ferngesehen, um die Zusammenfassung der Fußballergebnisse vom Vorabend zu sehen, nur um mit meinen Arbeitskollegen darüber reden zu können. Ganz ehrlich: Wenn du dich nicht für Fußball interessierst, bleib authentisch und bleib du selbst. Sprich nicht über Fußball.

Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass die Erziehung ein sehr wichtiger Faktor dafür ist, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun. Oft liegt es daran, dass Mädchen dazu erzogen werden, nett und höflich zu sein. Aber wenn du zielstrebig und hartnäckig bist, ist das nicht unhöflich und es ist nicht nur eine Männerdomäne. Bleib dran. Bleib authentisch, sei du selbst und hab Spaß dabei. Bitte lass dich von niemandem davon abbringen.

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