4 wegweisende Trends im europäischen Bankensektor, Teil 1

Im Bankensektor ist die Zeit schon lange reif für eine Transformation. Allerdings haben Alttechnologien die große digitale Revolution bisher oftmals verhindert. In diesem Beitrag befassen wir uns mit zwei Herausforderungen des europäischen Bankensektors sowie mit den Risiken, mit denen Unternehmen auf dem Weg zur Transformation konfrontiert sind.

Dynamische Kundenerwartungen und der Druck, Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern, forcieren die digitale Beschleunigung im Bankwesen. Dass ein Wandel unerlässlich ist, hat die Pandemie besonders deutlich gemacht.Doch Bankkunden haben schon längst den Wechsel von traditionellen Filialbanken zu mobilen Online-Alternativen vollzogen. Die Transformation des Backoffice hat für den Bankensektor derzeit oberste Priorität. Dies gilt insbesondere für traditionelle Institute mit einer Vielzahl veralteter Technologien und Geschäftsprozesse.

Im ersten Beitrag dieser zweiteiligen Reihe sehen wir uns zwei Herausforderungen sowie die Risiken auf dem Weg zur Transformation an, mit denen der europäische Bankensektor konfrontiert ist. Außerdem begründen wir, warum Anlass zu Optimismus besteht, dass der Sektor an Agilität gewinnen und sein Backoffice in der gleichen Weise digitalisieren kann wie bereits die kundenorientierten Abläufe.

Talentakquise und -bindung in der postpandemischen Welt

Die Gewinnung und Bindung von Spitzenkräften bedeutet eine große Herausforderung in Europa. Wie viele andere Branchen leidet auch der Bankensektor im Nachgang der Pandemie unter dem Fachkräftemangel im digitalen Bereich. Gefragte Arbeitskräfte mit Kompetenzen in den Bereichen Programmierung, Softwareentwicklung und Data Science sind auf dem Arbeitsmarkt hart umkämpft. Banken müssen sich als Arbeitgeber dabei nicht nur gegen Technologieunternehmen, sondern auch gegen ihre Konkurrenz aus dem Fintech-Bereich durchsetzen.

„Der Technologieansatz von Banken und Finanzinstituten muss skalierbar und nachweislich auf die geschäftliche Roadmap abgestimmt sein.“

 

Viren Patel Strategic Industry Advisor for Financial Services Workday

Aurelie L‘Hostis, Senior Analyst bei Forrester, äußerte sich in einem Forbes-Beitrag wie folgt: „Der intensive Wettbewerb um Spitzenkräfte mit technischen Kompetenzen hat sich durch die Pandemie noch verschärft.“

Wenn es den Banken nicht gelingt, neue Talente anzuwerben, müssen sie dazu übergehen, ihre aktuelle Belegschaft umzuschulen. Viele Finanzinstitute haben dazu ambitionierte Programme gestartet, mit dem vorrangigen Ziel, Kompetenzlücken intern zu schließen.

„Anpassungsfähigkeit und adaptives Talentmanagement sind gegenwärtig von entscheidender Bedeutung: Als Reaktion auf den konstanten Wandel müssen Banken ihren Talentpool vergrößern, indem sie interne Talente fördern und aktiv auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugehen, um schnell neue Kompetenzen zu entwickeln. Künftig jedoch wird es bei der dynamischen Anpassung von Kompetenzprofile und der Weiterqualifizierung der Belegschaft zunehmend zu Problemen kommen“, so L‘Hostis weiter.

Erschwerend kommt hinzu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrem Unternehmen in Scharen den Rücken kehren: Das Phänomen der „Great Resignation“ ist derzeit in aller Munde. Deloitte spricht sogar vor einem regelrechten Abwanderungssturm. Realistisch betrachtet lässt sich der aktuelle Trend als fundamentale Neuausrichtung eines hochgradig wettbewerbsintensiven Markts deuten. Immer mehr Beschäftigte hinterfragen ihre Tätigkeit, ihre Arbeitsweisen und die Wertvorstellungen ihres Arbeitgebers.

Banken müssen lernen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser zu verstehen und in ihr Wohlergehen und in ihre Karriereentwicklung zu investieren. Dazu zählt auch die Weiterbildung. All das fällt in eine Zeit, in der viele Arbeitgeber dabei sind, den Balanceakt zwischen der Rückkehr an den Arbeitsplatz und hybriden Arbeitsmodellen zu meistern.

Banken müssen geschäftsorientierte digitale Transformation vorantreiben

Banken und deren Führungskräfte sind sich darüber im Klaren, dass an Transformation und aktiver Digitalisierung kein Weg vorbei führt. Branchenweit fließen jährlich Milliardensummen in dieses Vorhaben, doch bei der Ausrichtung der digitalen Transformation auf die Unternehmensziele stößt man immer wieder an ihre Grenzen.

„Anpassungsfähigkeit und adaptives Talentmanagement sind gegenwärtig von entscheidender Bedeutung: Als Reaktion auf den konstanten Wandel müssen Banken ihren Talentpool vergrößern, indem sie interne Talente fördern und aktiv auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugehen, um schnell neue Kompetenzen zu entwickeln.“ 

Aurelie L’Hostis Senior Analyst Forrester

In der Studie „2022 Banking and Capital Markets Outlook“ beklagt Deloitte das Fehlen einer „gemeinsamen, strategisch basierten, geschäftsorientierten Sprache für die digitale Transformation im gesamten Unternehmen“.

Banken und Finanzdienstleister im weiteren Sinne sind nicht die einzigen Unternehmen, denen es schwerfällt, sich bei der digitalen Transformation auf eine gemeinsame Linie zu einigen und die Auswirkungen für das Unternehmen abzuschätzen. Das schiere Ausmaß des Wandels, der unaufhaltsam voranschreitet, führt zu isolierten Transformationsprogrammen, die sich auf einzelne Bereiche beschränken und keinen Anschluss an die übergeordneten Unternehmensziele finden.

Dies zeigt sich am Beispiel der Modernisierung der Kernsysteme. Bislang wurde im Bankensektor massiv in kundenorientierte Technologien für das Frontoffice investiert, während im Backoffice immer noch veraltete Systeme und Datenmodelle zum Einsatz kommen. So heißt es bei Deloitte: „Nur 11 % der Banken verfügen über umfassend modernisierte Kernsysteme, in die sich neue digitale Technologien leicht integrieren lassen.“

Der globale Lockdown führte den Finanzdienstleistern die notwendige Digitalisierung des Backoffice vor Augen, um das Potenzial der unternehmensweiten Lösung effizienter nutzen und die entsprechenden Prozesse und zugrunde liegenden Daten miteinander verknüpfen zu können. Dem Bankensektor steht noch eine Menge Arbeit bevor.

„Ideal ist eine Lösung, mit der Sie schnell reagieren, agil handeln und Ihre Resilienz angesichts der zahlreichen Veränderungen in der Branche stärken können“, so Viren Patel, Strategic Industry Advisor for Financial Services bei Workday. „Im Bankwesen kommt es permanent zu Änderungen der Gesetzeslage. Ständig wird der Markt durch neue Disruptoren aufgewirbelt. Daher ist die Möglichkeit entscheidend, bei Marktveränderungen mit einem flexiblen Datenmodell neue Kennzahlen zu integrieren und neue Dimensionen hinzuzufügen.“

Ebenso drängt sich immer wieder die Frage auf, wie Frontoffice und Backoffice von einem skalierbaren Modell für künstliche Intelligenz (KI) und robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) profitieren können.

Banken und deren Führungskräfte sind sich darüber im Klaren, dass an der geschäftlichen Transformation und der aktiven Digitalisierung kein Weg vorbei führt. Branchenweit fließen jährlich Milliardensummen in dieses Vorhaben, doch bei der Ausrichtung der digitalen Transformation auf die Unternehmensziele stößt man immer wieder an Grenzen.

In einem anderen Beitrag erläuterte Nick Hutton-Penman, Deputy CEO von Tokio Marine Kiln Group Ltd, kürzlich die Bedeutung von Backoffice-Systemen, die durch ihre Flexibilität der Dynamik des Wandels gewachsen sind. „Anpassungsfähigkeit ist wirklich essenziell, denn alle Finanzdienstleister müssen gegenwärtig in kürzester Zeit ein massives Pensum an Änderungen bewältigen. „Für die digitale Transformation ist es entscheidend, eine flexible Lösung als Basis zu etablieren, die bei künftigen Veränderungen um separate Module und Prozesse ergänzt werden kann“, erklärte er.

Patel von Workday fügte hinzu: „Der Technologieansatz von Banken und Finanzinstituten muss skalierbar und nachweislich auf die geschäftliche Roadmap abgestimmt sein. Durch einen solchen ganzheitlichen Technologieansatz, der mit den Zielen des Unternehmens übereinstimmt, werden Reibungen zwischen den Geschäftsbereichen und der Unternehmensleitung reduziert.“

Im zweiten Teil dieses Beitrags erfahren Sie mehr darüber, warum zwei wichtige Trends – Cybersicherheit sowie die ökologische, soziale und ethische Unternehmensverantwortung – für den Finanzsektor immer bedeutsamer werden.

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