Fünf Schritte zur Vorbereitung auf die EU-Lohngleichheitsrichtlinie

Mit der EU-Pay-Transparenzrichtlinie ändert sich, wie Unternehmen Vergütung denken und kommunizieren. Dieser Leitfaden zeigt in fünf klaren Schritten, wie Organisationen ihre HR-Strukturen, Daten und Narrative vorbereiten.

Anja Fordon 22. Juli 2025
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Diese Richtlinie ist kein bürokratischer Akt zum Abhaken. Sie zielt auf das Fundament der Unternehmenspraxis: die oft intransparenten Mechanismen, nach denen Arbeit bewertet und vergütet wird. Die EU-Lohngleichheitsrichtlinie wurde ins Leben gerufen, um einem Prinzip neues Gewicht zu verleihen, das zwar seit Jahrzehnten im Gesetz steht, aber in der Realität selten konsequent umgesetzt wird: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Auf dem Papier ist die Richtlinie eindeutig: keine Fragen mehr zur Gehaltshistorie, verpflichtende Transparenz bei der Einstellung, regelmäßige Berichte zur Lohnlücke zwischen den Geschlechtern – und spürbare Konsequenzen bei ungerechtfertigten Ungleichheiten. Doch in der Praxis stellt sich eine weit grundlegendere Frage: Ist die eigene Organisation überhaupt darauf vorbereitet, das sichtbar zu machen, was bislang im Verborgenen lag? Dafür braucht es konsolidierte HR-Daten, standardisierte Prozesse und eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen HR, IT und Rechtsabteilung. Ohne dieses Fundament wird selbst die Einhaltung der Vorgaben zur Herausforderung.

Deshalb ist es entscheidend, dass CHROs und CIOs an einem Strang ziehen. CIOs sorgen dafür, dass technische Systeme nicht nur Daten speichern, sondern auch Erkenntnisse sichtbar machen, Muster erkennen und Entscheidungen stützen, die einer Prüfung standhalten. CHROs wiederum können die Auswirkungen auf Recruiting, Vergütung und strategische Personalplanung im Blick behalten, genau dort wo Technologie heute tief eingreift. Diese Prozesse laufen nicht neben den Systemen her, sie sind in ihnen verankert. Und sie müssen bewusst gestaltet werden.

Wer hier den Anschluss nicht verlieren will, muss Silos überwinden. Die Art, wie Talente gewonnen, gehalten und entlohnt werden, verändert sich. HR hat die Wahl: mitgestalten oder sich gestalten lassen.

Der Handlungsdruck wächst. Auch Unternehmen, die nicht sofort unter die Berichtspflicht fallen, werden sich Fragen stellen lassen müssen: von Bewerber:innen, Mitarbeitenden und Investor:innen. Und das gilt ebenso für Firmen mit Sitz außerhalb der EU, die in einem Mitgliedstaat aktiv rekrutieren oder operieren. Wer seine Vergütungsstrukturen nicht erklären kann, wird sie von anderen erklärt bekommen. Transparenz ist längst kein freiwilliges Zugeständnis mehr. Sie ist strategische Notwendigkeit. Und Technologie ist der Hebel.

Dieser Artikel skizziert fünf konkrete Schritte, mit denen Unternehmen sich jetzt auf die nationale Umsetzung der Richtlinie vorbereiten können. Es geht nicht um theoretische Planspiele oder universelle Checklisten. Es geht um kluge, tragfähige Grundlagen bevor der Blick von außen schärfer wird. Ja, Pay Transparency ist ein regulatorisches Update. Aber eben auch ein Paradigmenwechsel: in der Art, wie Wert gemessen, anerkannt und kommuniziert wird. Wer jetzt handelt, gewinnt nicht nur Zeit. Sondern Glaubwürdigkeit.

Schritt 1: Dafür sorgen, dass HR-Daten eine Geschichte erzählen – nicht nur ein Formular füllen

Am Anfang steht eine einfache, aber entscheidende Frage: Lässt sich nachvollziehbar erklären, wie Arbeit im Unternehmen definiert, bewertet und vergütet wird? Wer darauf keine klare Antwort geben kann, wird es schwer haben, die Anforderungen der Richtlinie zu erfüllen. Denn Pay Transparency bedeutet mehr als das Veröffentlichen von Tabellen. Entscheidend ist eine Struktur, die Vergleiche möglich macht – welche Verantwortung ist mit welcher Rolle verbunden? Welche Fähigkeiten sind erforderlich? Was unterscheidet einzelne Job-Level?

Die Frage ist längst nicht mehr, ob über Gehälter gesprochen wird, sondern wie.

Daten allein reichen nicht. Es braucht ein strukturiertes Rahmenwerk, das Komplexität sichtbar und interpretierbar macht. Eine tragfähige Jobarchitektur mit konsistenten Kriterien für Rollenbewertung und Vergütung ist dabei unerlässlich. Doch selbst das genügt nicht. Erst wenn Daten aus Gehaltsabrechnung, Zusatzleistungen, HR-Systemen und Vergütungsrichtlinien miteinander verknüpft werden, entsteht ein vollständiges Bild.

Im Zentrum steht die systematische Kategorisierung von Tätigkeiten – mehr dazu in Schritt zwei. Genauso entscheidend ist jedoch die Deutungshoheit. Die Frage ist längst nicht mehr, ob über Gehälter gesprochen wird, sondern wie. Wer proaktiv kommuniziert, nimmt Vergleichsportalen und externen Kommentaren die Deutung aus der Hand. Denn sobald Daten öffentlich sind, erzählen sie eine Geschichte. Ob diese Geschichte Vertrauen schafft, hängt davon ab, wie sorgfältig sie vorbereitet wurde.

Und Transparenz endet nicht beim Grundgehalt. Die Richtlinie fasst „Vergütung“ weit – auch Boni, Zulagen, Nebenleistungen und Betriebsrenten zählen dazu. Gefordert ist deshalb mehr als nur technisches Reporting. Gefragt ist strategische Klarheit: Was wird bezahlt, warum – und ist diese Logik nachvollziehbar?

Was jetzt hilft: Eine Plattform, die alle Gehaltskomponenten zusammenführt und mit konsistenten Bewertungskriterien verknüpft. Das erleichtert nicht nur die Berichterstattung. Es schafft eine Struktur, die sich erklären lässt – nach innen wie nach außen.

Schritt 2: Eine Bewertungsstruktur (Grading) schaffen, die Berichte nach Beschäftigtengruppen ermöglicht

Einer der zentralen Pfeiler der Richtlinie ist die klare Kategorisierung von Beschäftigten. Unternehmen müssen künftig vergleichbare Tätigkeiten in Gruppen zusammenfassen – basierend auf objektiven Kriterien wie Verantwortung, Qualifikation, Anstrengung und Arbeitsbedingungen. Abteilungen oder Jobtitel allein reichen nicht. Fehlt eine solche Systematik, droht ein verzerrtes oder irreführendes Bild bei der Lohnberichterstattung.

Der Ausgangspunkt ist eine Bewertungsstruktur, die auf nachvollziehbaren Kriterien basiert – häufig über sogenannte Punktfaktorverfahren. Sie ermöglichen eine konsistente Zuordnung von Rollen über Regionen, Hierarchien und Funktionsbereiche hinweg. Zwar schreibt die Richtlinie kein konkretes Verfahren vor, wohl aber, dass es erklärt werden können muss.

In der Praxis heißt das: Die eigene Jobarchitektur gehört auf den Prüfstand. Werden Level systematisch angewendet? Lassen sich Rollen über Standorte und Einheiten hinweg vergleichen? Spiegelt die Bewertung reale Arbeitsbedingungen und Verantwortlichkeiten wider? Und: Sind die Daten mit Payroll und HR-Systemen verknüpft, sodass Berichte automatisiert werden können?

Wer heute auf Flexibilität setzt, erlebt morgen weniger Überraschungen.

Ein Bewertungssystem, das nicht nur von HR, sondern auch von Legal, Compliance und – wo nötig – Arbeitnehmervertretungen mitgetragen wird, schafft Konsistenz und Legitimität. Und es liefert die Grundlage für belastbare Berichte. Denn wenn Gehaltsunterschiede sichtbar werden, lässt sich zeigen: Die Einteilung war transparent, sachlich begründet und nachvollziehbar.

Was jetzt hilft: Das eigene Job-Bewertungssystem prüfen. Überschneidungen oder Lücken identifizieren. Und dann ein bereichsübergreifendes Projekt aufsetzen – HR-geführt, aber rechtlich und technisch abgestützt –, um eine Bewertungsstruktur zu entwickeln, die erklärbar, konsistent und prüfbar ist.

Schritt 3: Flexibilität in die Vergütungs- und Benefits-Modelle integrieren

Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, die gesamte Vergütung der Mitarbeitenden offenzulegen – nicht nur das Grundgehalt, sondern auch alle zusätzlichen Leistungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis: Boni, Zulagen, Überstundenvergütung, Rentenansprüche, Fortbildungsvergütung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Sachleistungen. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, braucht es Modelle, die solche Komponenten über Ländergrenzen und Beschäftigtengruppen hinweg abbilden – und dynamisch weiterentwickelt werden können.

Starre Vergütungssysteme stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Es braucht die Fähigkeit, einzelne Elemente zu segmentieren, zu gruppieren und in verschiedenen Szenarien zu simulieren. Nur so lässt sich verstehen, wie jede Komponente zur Gesamtvergütung beiträgt – und wo potenzielle Verzerrungen liegen. Ein flexibles Modell unterstützt nicht nur die Berichtspflicht, sondern schafft echte Erkenntnisse: Wie verteilen sich Benefits über unterschiedliche Beschäftigtengruppen? Wo treten Ausreißer auf? Und welche Muster deuten auf unbeabsichtigte Benachteiligung hin?

Was jetzt hilft: Plattformen wie Workday können sämtliche Vergütungskomponenten über mehrere Dimensionen hinweg konsolidieren und auswertbar machen. Die Integration von Grundgehalt, Boni, Zusatzleistungen und weiteren Bestandteilen legt Bereiche offen, die bereichsübergreifende Aufmerksamkeit erfordern. Dabei ist entscheidend, dass die Datenarchitektur auch zukünftige Anpassungen mitträgt – etwa wenn sich nationale Auslegungen der Richtlinie weiterentwickeln. Wer heute auf Flexibilität setzt, erlebt morgen weniger Überraschungen.

Schritt 4: Gehaltsbänder offenlegen – und Inkonsistenzen proaktiv adressieren

Gehaltsbänder oder Vergütungsstufen werden öffentlich – über Auskunftsrechte von Mitarbeitenden und möglicherweise auch über Stellenausschreibungen. Unternehmen müssen sich also nicht nur auf Transparenz vorbereiten, sondern auch darauf, sie zu begründen. Ohne interne Abstimmung treten Unstimmigkeiten schnell zutage.

Der eigentliche Druckpunkt liegt dabei nicht im äußeren Ruf nach Offenheit, sondern in der Frage, ob die interne Logik standhält. Lässt sich erklären, warum zwei vergleichbare Rollen unterschiedlich vergütet werden? Beruht der Unterschied auf Leistung, Standort oder Aufgabenprofil – oder offenbart er eine systemische Unschärfe?

Vorausschauende Vorbereitung heißt: Gehaltsbänder prüfen, bevor sie sichtbar werden. Lassen sich unternehmensweite Vergleiche simulieren? Verzerren Bonusmodelle die Grundgehaltslogik? Sind Leistungskriterien klar definiert – und nachvollziehbar angewendet? Wer diese Fragen im Vorfeld klärt, spart sich spätere Korrekturen unter Druck.

Was jetzt hilft: Eine Gehaltsaudit durchführen – gemeinsam mit der Rechtsabteilung und unter dem Schutz des Legal Privilege. Dabei sollten sowohl die Struktur der Gehaltsbänder als auch ihre innere Konsistenz überprüft werden. Narrative zu Leistung, Marktbenchmarks und Bonuslogiken gehören dokumentiert – und kommunizierbar gemacht. Führungskräfte müssen in der Lage sein, die Gehaltsstruktur verständlich und souverän zu erklären.

Schritt 5: Jobarchitekturen entschlacken – und anpassbar machen

Rollen verändern sich, Geschäftsbereiche wachsen, Schwellenwerte für die Berichtspflicht variieren. Eine gestraffte, aber anpassungsfähige Jobarchitektur ist die Voraussetzung für verlässliches Reporting und strategische Kohärenz.

Doch viele Unternehmen arbeiten noch mit veralteten Strukturen – doppelte Profile, inkonsistente Bewertungen, überholte Rollenbeschreibungen. Die Richtlinie erhöht den Druck auf solche Systeme. Wo Stellen sich nicht klar abbilden oder sinnvoll vergleichen lassen, wird die Berichterstattung zur Spekulation.

Ziel ist es, Bestehendes zu bereinigen, zu konsolidieren und systematisch zu strukturieren. Moderne Tools wie Workday können dabei helfen, Dubletten zu identifizieren, Rollen zuzuordnen und Beschreibungen zu schärfen. Entscheidend ist ein Rahmen, der flexibel bleibt – ohne seine innere Logik zu verlieren.

Was jetzt hilft: Die Richtlinie nennt vier Kriterien, die bei der Kategorisierung von Tätigkeiten berücksichtigt werden müssen: Arbeitsbedingungen, Qualifikationen, Anstrengung und Verantwortung. Spiegelt Ihre bestehende Jobarchitektur diese Dimensionen wider? Gibt es Rollen, die unklar oder widersprüchlich beschrieben sind? Lässt sich das System bei Bedarf weiterentwickeln – über neue Länder, Einheiten oder Geschäftsmodelle hinweg? Eine gut strukturierte Jobarchitektur ist nicht nur Grundlage für das Reporting. Sie schafft die Basis für faire, nachvollziehbare Vergütungsentscheidungen.

Fazit: Wer jetzt beginnt, gestaltet den Ausgang mit

Die EU-Lohngleichheitsrichtlinie ist mehr als ein regulatorischer Meilenstein. Sie ist ein Katalysator – für neue Strukturen, klare Narrative und einen sichtbareren Umgang mit Wert und Fairness. Unternehmen, die frühzeitig handeln, schaffen die Grundlage für verlässliche Daten, glaubwürdige Kommunikation und strategische Souveränität. Denn wenn Gehaltsdaten öffentlich werden, entscheidet Vorbereitung über Wahrnehmung. Und Wahrnehmung ist heute – mehr denn je – geschäftskritisch.

Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, wo Sie stehen – und wie Workday Sie auf dem Weg zur EU-Pay-Transparenz optimal unterstützen kann. Melden Sie sich bei uns.

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