DeepL und die große Frage: Was kann ein ERP wirklich leisten?

ERP-Systeme gelten oft als notwendiges Übel. Doch DeepL zeigt, dass sie strategisch viel mehr leisten können – wenn man sie nicht nur digitalisiert, sondern neu denkt. Eine Geschichte über Wachstum, Datenintelligenz und operative Exzellenz im Finanzbereich.

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Es gibt eine bestimmte Art von Stille, die sich in Organisationen breitmacht, wenn man das Gespräch auf ERP-Systeme lenkt. Eine Stille, die zwischen latenter Frustration und vorauseilender Resignation liegt. Wer in den letzten zehn Jahren in einem wachstumsorientierten Unternehmen gearbeitet hat, kennt dieses Gefühl: Das eigene Finanzsystem wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Prozesse sind langsam, die Daten fragmentiert, die Verantwortlichkeiten zerfasert. Und irgendwo in all dem entsteht eine paradoxe Situation: Je schneller ein Unternehmen wächst, desto mehr verliert es an betriebswirtschaftlicher Transparenz.

DeepL, das Unternehmen hinter einer der weltweit bekanntesten KI-basierten Übersetzungsplattformen, stand genau an diesem Punkt. Das Produkt boomte. Neue Märkte, neue Nutzergruppen, eine wachsende B2B-Kundschaft. Gleichzeitig gerieten die Finanzprozesse ins Stocken. Externe Buchhaltung, Insellösungen, fehlende Skalierbarkeit. CFO Marcus Hada beschrieb den Zustand mit einer Ehrlichkeit, die in dieser Branche selten ist: „Wir mussten das Schiff bauen, während wir es schon segelten.“

Doch wie reagiert man, wenn das System im Hintergrund mit dem Tempo der Organisation nicht mehr mithält? Wenn Dynamik zur Belastung wird?

Warum Finanzteams oft mehr mit Excel kämpfen als mit Strategie

In der Öffentlichkeit sprechen Unternehmen gern über Innovation, KI und strategische Transformation. Intern jedoch ringen viele mit ganz anderen Problemen: Zahlungen, die nicht richtig zugeordnet werden können. Rechnungen, die per Hand gematcht werden müssen. Abstimmungen, die tageweise Zeit kosten. In der Theorie lebt man in der Cloud – in der Praxis im Tabellenchaos.

Der wirkliche Wandel zeigt sich erst nach dem Go-Live.

Eine der zentralen Herausforderungen liegt in der fehlenden Verbindung zwischen Datensystemen. Cashflow-Informationen sind isoliert von Kundenstammdaten, Buchhaltungssysteme nicht mit Zahlungssystemen verzahnt. Wenn der Monatsabschluss ansteht, beginnt das finanzielle Puzzlestück von vorn.

DeepL entschied sich inmitten des Wachstums für eine Neuaufstellung der Systemlandschaft. Keine punktuelle Verbesserung, sondern eine neue Infrastruktur. Ziel war ein gemeinsames Verständnis von Daten, eine höhere Automatisierung und ein klar definierter Rahmen für die Arbeit der Finanzabteilung.

 

Was passiert, wenn man nicht am System schraubt, sondern es wechselt

Enterprise-Software ist selten attraktiv. Ihre Auswirkungen sind dafür umso weitreichender. Die Wahl eines Systems wie Workday verändert die technische Landschaft und auch die Art, wie im Unternehmen über Prozesse, Verantwortlichkeiten und Standards gesprochen wird.

DeepL stellte sich dieser Herausforderung. Mit einem kleinen Team und begrenzter Erfahrung im Haus begann man mit der Umsetzung. Im Zentrum stand der Anspruch, eine tragfähige Systemlandschaft für die Zukunft zu schaffen – durch eine bewusste Abkehr von bloßer Digitalisierung hin zur gezielten strukturellen Neuausrichtung. Die Implementierung dauerte acht Monate und war zugleich Lernprozess und Strukturarbeit. Entscheidend war die Offenheit, sich auf bewährte Standards einzulassen und gewohnte Muster zu hinterfragen.

Der wirkliche Wandel zeigte sich jedoch erst nach dem Go-Live.

Wie DeepL sein ERP in ein lernendes System verwandelte

Andrzej Szymanski, verantwortlich für die finanziellen Systemlandschaften bei DeepL, nähert sich dem Thema über Denkprozesse: Er zeigt, wie man mit den richtigen Werkzeugen operative Probleme auf einer tieferen Ebene analysiert und strukturiert.

Ein Beispiel aus der Praxis: Banküberweisungen von Unternehmenskunden trafen in hoher Zahl ein, oft ohne erkennbare Verweise auf Rechnungsnummern. In kleineren Strukturen kann man solche Fälle noch manuell prüfen. Doch bei tausenden Transaktionen wird das zur Belastungsprobe. Szymanski entwickelte eine Matching-Logik, die innerhalb des Systems arbeitet wie ein neuronales Netz ohne KI – auf Basis von Erfahrung, Datenstruktur und nachvollziehbaren Regeln. Die Resultate sprachen für sich: Über 85 Prozent der Zahlungen wurden automatisch zugeordnet. Der Anteil wächst weiter. 

Systeme müssen mithalten – oder sie bremsen aus.

Im B2C-Geschäft war die Situation noch komplexer: Mehr als drei Millionen Einzeltransaktionen pro Jahr, verarbeitet über externe Payment-Provider. Die Lösung bestand darin, über Workday Prism zunächst alle Daten zu konsolidieren und dann nur die Abweichungen sichtbar zu machen. Am Ende mussten nur 15.000 Einzelfälle manuell geprüft werden.

Wie Systeme zum Ort unternehmerischer Intelligenz werden

Die bemerkenswerte Erkenntnis aus dieser Geschichte liegt weniger in der Technik als in der Haltung, mit der sie eingesetzt wurde. Bei DeepL wurde das ERP-System als Gestaltungsspielraum für bessere Prozesse angesehen.

Diese Sichtweise ist ungewöhnlich. In vielen Unternehmen gelten ERP-Systeme als Hintergrundtechnologie. Doch sie könnten mehr leisten: einen Rahmen bieten für operative Intelligenz, für das gezielte Zusammenspiel von Daten, für die kontinuierliche Verbesserung von Abläufen.

Der Ursprung vieler Probleme liegt in der Geschichte dieser Systeme. Sie wurden für Zeiten entwickelt, in denen Prozesse stabil, Daten langsam und Organisationen klar strukturiert waren. Heute aber herrschen andere Bedingungen: Agilität, Echtzeitfähigkeit, Netzwerkstrukturen. Die Systeme müssen mithalten – oder sie bremsen.

Ohne solide Datenstruktur bleibt KI nur ein Versprechen

Die Diskussion um künstliche Intelligenz vernachlässigt oft eine grundlegende Tatsache: Ohne strukturierte Daten ist jede noch so fortschrittliche Anwendung wirkungslos. Systeme wie Workday liefern hier die Basis. Sie ermöglichen ein konsistentes Modell für zentrale Unternehmensfunktionen und einheitliche Konfiguration statt starrer Programmierung.

Wie stark diese Möglichkeiten genutzt werden, hängt vom Unternehmen selbst ab. DeepL hat daraus eine Stärke gemacht. Die Art, wie dort mit Daten gearbeitet wird, zeigt ein neues Rollenverständnis im Finanzbereich. Es geht nicht mehr nur darum, Zahlen zu prüfen – sondern darum, mit ihnen bessere Entscheidungen vorzubereiten.

Die Zukunft entsteht dort, wo Systeme Teil einer lernfähigen, gestaltenden Organisation sind. ERP-Systeme sind keine Problemlöser, aber sie machen Schwachstellen sichtbar, indem sie erfolgreiche Prozesse von ineffizienten Organisationsstrukturen unterscheiden. DeepL zeigt, wie technische Infrastruktur strategisch genutzt werden kann und dass Fortschritt weniger von neuen Tools als von der effektiven Nutzung bestehender Tools abhängt. Eine lernfähige und gestaltende Organisation, die ihre Systeme bewusst einsetzt, ist der Schlüssel für zukünftige Erfolge.

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