Die Kosten, wenn es den Frontline-Mitarbeitenden nicht gut geht

Mitarbeitende mit direktem Kundenkontakt sind das Gesicht des Unternehmens. Sie prägen jeden Eindruck, jede Interaktion. Und doch geraten sie in vielen Programmen zur Employee Experience erstaunlich oft aus dem Blick. Wer das volle Potenzial einer starken Frontline ausschöpfen will, muss zuerst verstehen, wo ihre Erfahrungslücken entstehen und sie genau dort schließen, wo sie beginnen.

Blog header for blog post: Die Kosten, wenn es den Frontline-Mitarbeitenden nicht gut geht

Wer je in einer Rolle mit direktem Kundenkontakt gearbeitet hat, weiß, dass sie nichts für schwache Nerven ist. Sie verlangt Charakterstärke, soziale Intuition und ein hohes Maß an Ausdauer.
Trotzdem tauchen diese Qualitäten in den meisten Stellenausschreibungen kaum auf, dabei sind sie entscheidend für den Erfolg. Vom ersten Arbeitstag an tragen Mitarbeitende an der Frontlinie Verantwortung für das, was für jedes Unternehmen zählt: das Kundenerlebnis.

Doch obwohl sie das Gesicht ihres Unternehmens sind, sagen laut einem aktuellen Workvivo-Bericht rund die Hälfte dieser Beschäftigten, dass sich ihr Arbeitgeber stärker um Büroangestellte kümmert als um sie. Fast ebenso viele – 49 Prozent – sind überzeugt, dass sie mehr Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben als ihre Kolleginnen und Kollegen im Büro, ohne dass dieser Beitrag angemessen gewürdigt wird.

Warum also fühlen sich gerade jene Menschen, die am engsten mit Kunden interagieren, so wenig geschätzt? Die Antwort ist vielschichtig, doch die ersten Schritte zur Lösung sind erstaunlich einfach.

Vom ersten Tag an tragen Mitarbeitende mit Kundenkontakt Verantwortung für das, was den Kern jedes Unternehmens ausmacht: das Kundenerlebnis. 

Die Herausforderung diagnostizieren

Die Erfahrungen von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt sind komplex – Personalabteilungen, die sowohl Frontline-Mitarbeitende als auch Büroangestellte betreuen, müssen eine Vielzahl von Faktoren gleichzeitig im Blick behalten. Eine überzeugende Strategie setzt voraus, jene Initiativen zu priorisieren, die den größten Hebel besitzen. Dafür gilt es zunächst, die zentralen Erfahrungslücken zu identifizieren.

 

Die Kulturkluft

Eine deutliche Bruchstelle zeigt sich bei der kulturellen Einbindung: In internationalen Untersuchungen gaben z. B. über die Hälfte der Frontline-Mitarbeitenden an, arbeits- und kulturräumlich nicht voll eingebunden zu sein. In Deutschland bestätigt eine Studie zur Unternehmenskultur, dass viele Unternehmen die Potenziale ihrer Mitarbeitenden nicht vollständig nutzen und dabei insbesondere Wertschätzung, Zugehörigkeit und gelebte Kultur als Hebel identifizieren.

 

Unternehmen, die die Unternehmenskultur an der Frontlinie als nebensächlich betrachten, verschenken nicht nur Mitarbeitende, sondern eine strategische Chance. Der Befund wirkt ernüchternd: Zwar messen 59 % bis 90 % der deutschen Personaler der Kultur eine hohe Bedeutung zu, doch konkrete Instrumente und Integration in den Alltag bleiben vielfach unterentwickelt.

Teamdynamik und kulturelle Brüche

Ein starker Teamgeist, der sich organisch entwickelt, kann ein Geschenk sein – er schafft Vertrauen, Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung. Doch wenn sich Zugehörigkeit fast ausschließlich im eigenen Team verankert, entsteht ein Risiko: Laut aktuellen Befragungen fühlen sich 61 Prozent der Mitarbeitenden an der Frontlinie ihrem Team stärker verbunden als dem restlichen Unternehmen. Was zunächst positiv klingt, kann sich rasch in eine Echokammer verwandeln – eine, in der Stimmungen verstärkt werden, ob sie nun motivierend oder destruktiv sind.
Gerade deshalb sollte die Unternehmenskultur das gemeinsame Fundament bleiben, auf das sich Teams stützen können – besonders dann, wenn es schwierig wird.

Mangelnde Anerkennung

Dieser Silo-Effekt zeigt sich auch in der Wahrnehmung von Wertschätzung. Rund die Hälfte der Mitarbeitenden mit Kundenkontakt hat das Gefühl, dass sich ihr Unternehmen stärker um Büroangestellte kümmert. 49 Prozent glauben, sie hätten mehr Einfluss auf den Unternehmenserfolg als ihre Kolleginnen und Kollegen im Büro – doch ihr Beitrag bleibt oft unbeachtet.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Viele dieser Beschäftigten erleben, dass Engagement und außergewöhnliche Leistungen selten mit Anerkennung einhergehen. Mit der Zeit führt das zu Entmutigung und zu einer Unternehmenskultur, in der Arbeit als Last empfunden wird – nicht als Möglichkeit, etwas zu gestalten.

Fehlt Anerkennung, verändert sich auch die innere Haltung zur Arbeit. Aus „Ich darf heute etwas bewegen“ wird „Ich muss heute etwas erledigen“. Der Unterschied scheint klein, doch er entscheidet darüber, ob Menschen Energie in ihre Aufgaben investieren – oder sie nur noch abarbeiten.

Wenn Anerkennung fehlt, verändert sich nicht nur, wie Menschen arbeiten, sondern auch, warum sie es tun.

Kommunikation

Das Gefühl der Entfremdung vom restlichen Unternehmen ist unter Mitarbeitenden mit Kundenkontakt weit verbreitet – und mangelnde Kommunikation ist einer der Hauptgründe dafür. Viele erhalten keine regelmäßigen Informationen über aktuelle Entwicklungen oder haben kaum Gelegenheit, selbst Feedback zu geben. Entsprechend überrascht es kaum, dass laut aktuellen Befragungen 42 Prozent der Frontline-Mitarbeitenden finden, die Unternehmensleitung kommuniziere nicht gut mit ihnen. Fast die Hälfte (48 Prozent) empfindet die Mitteilungen, die sie erhalten, als wenig relevant für ihren Arbeitsalltag.

Hinzu kommt, dass ihre Schichtpläne oft unregelmäßig und deutlich weniger flexibel sind als jene der Büroangestellten. Ohne einfache Wege, während der Arbeit Informationen zu erhalten oder Rückmeldungen zu geben, verstärkt sich das Gefühl, vom Unternehmen abgekoppelt zu sein.

Drei Lösungen für eine stärkere Frontlinie

Das Erkennen dieser Bruchstellen in der Arbeitserfahrung von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt ist der erste Schritt, um sie zu schließen. Die Daten zeigen: Hier liegen nicht nur Probleme, sondern auch Chancen – für eine bessere Employee Experience, höhere Motivation und eine engere Verbindung zwischen Frontline, HR und Unternehmensführung. Wer bestehende Programme gezielt verbessert und einige neue, einfach umsetzbare Initiativen ergänzt, kann die Basis für eine wirklich verbundene und engagierte Frontline-Belegschaft schaffen.

1. Kulturelle Barrieren abbauen

Unternehmenskultur ist mehr als ein Leitbild – sie ist das Fundament, auf dem Menschen Sinn in ihrer Arbeit finden. Neue Technologien und Tools können helfen, Trennlinien zu überwinden und die Kultur über Standorte und Hierarchieebenen hinweg lebendig zu halten. HR-Teams können über Plattformen zur Mitarbeiterbindung – etwa regelmäßige Befragungen oder interne Kommunikationskanäle wie Slack – sicherstellen, dass sich alle Mitarbeitenden eingebunden fühlen, egal wo sie arbeiten.

2. Anerkennung erweitern

Wertschätzung ist einer der stärksten Treiber für Engagement – und ein entscheidender Faktor für die Bindung der Frontline-Mitarbeitenden. Laut aktuellen Erhebungen fühlen sich 39 Prozent der Befragten stärker anerkannt, wenn sie öffentlich gelobt werden, als wenn sie einen Bonus erhalten. Umgekehrt ist fehlende Anerkennung der häufigste Grund, warum sich Mitarbeitende an der Frontlinie nicht zugehörig fühlen.

Diese Herausforderung lässt sich vergleichsweise einfach angehen. Digitale Anerkennungsplattformen ermöglichen es, Kolleginnen und Kollegen unkompliziert Lob auszusprechen, teamübergreifende Erfolge sichtbar zu machen und auch kleine Leistungen zu würdigen. Werden Führungskräfte zudem gezielt darin geschult, Wertschätzung aktiv zu zeigen – und wird ihre eigene Leistung daran gemessen, wie gut sie das tun –, entsteht eine Kultur, in der niemand allein steht.

3. Kommunikation stärken

Auch wenn die Kommunikation derzeit als Schwachstelle gilt, birgt sie enormes Potenzial. 69 Prozent der Mitarbeitenden mit Kundenkontakt wünschen sich ein besseres Verständnis dafür, wie Entscheidungen im Unternehmen getroffen werden – eine deutliche Einladung an interne Kommunikationsteams, Brücken zu bauen.

Nur weil Mitarbeitende an der Frontlinie nicht im Büro arbeiten, heißt das nicht, dass sie sich nicht für das Geschehen dort interessieren. Wer Informationsflüsse transparenter macht und echte Rückkanäle schafft, fördert Vertrauen, stärkt Beziehungen und sorgt für fundiertere Entscheidungen – im Interesse des gesamten Unternehmens.

69 Prozent der Befragten wünschen sich ein besseres Verständnis dafür, wie Entscheidungen in ihrem Unternehmen getroffen werden.

 

Kommunikation funktioniert nicht nach dem Prinzip „one size fits all“. Wer wirklich gehört werden will, muss seine Botschaften an die unterschiedlichen Segmente der Belegschaft anpassen. So lassen sich Informationen nicht nur relevanter vermitteln, sondern auch Missverständnisse und Unruhe vermeiden.

Ebenso wichtig ist die Art der Übermittlung. Mitarbeitende an der Frontlinie nutzen geschäftliche E-Mails oft deutlich seltener als ihre Kolleginnen und Kollegen im Büro – viele bevorzugen kurze Rundnachrichten oder digitale Aushänge. Wer versteht, über welche Kanäle welche Gruppen am besten erreichbar sind, kann interne Kommunikation gezielt steuern und sicherstellen, dass alle auf dasselbe Ziel hinarbeiten.

Weiterentwicklung für alle

Zugehörigkeit, Anerkennung und klare Kommunikation sind die Grundlage für eine positive Erfahrung der Mitarbeitenden an der Frontlinie. Wenn Unternehmen diese Faktoren ernst nehmen, stärken sie nicht nur die Moral ihrer Teams, sondern erschließen auch ein enormes Potenzial für Wachstum und Kundenbindung.

Mitarbeitende, die sich gesehen, gehört und geschätzt fühlen, werden zu glaubwürdigen Botschaftern ihrer Marke. Sie tragen das, was sie intern erleben, nach außen – in jede Kundenbegegnung.

Die Zahlen sprechen für sich. Das mindert Engagement und erhöht die Fluktuation. Investitionen in die Frontline sind deshalb keine Kür, sondern eine strategische Notwendigkeit. Die Zukunft der Arbeit entsteht nicht nur im Büro, sondern überall dort, wo Menschen täglich den Unterschied machen.

Weiteres Lesematerial