Selbstidentifikation als Diversitätstreiber bei Thomson Reuters

Selbstidentifikation ist wichtig, wenn man Zugehörigkeit und Diversität als geschäftliche Priorität begreift. Doch was ist bei einer globalen Belegschaft zu beachten? Erfahren Sie, wie es Thomson Reuters gelungen ist, Initiativen zur Abfrage von diversitätsbezogenen persönlichen Daten auf 68 Länder auszudehnen.

Selbstidentifikation ist kein flüchtiger Trend des digitalen Zeitalters, sondern ein wesentlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Miteinanders. Durch die Informationen, die wir über uns preisgeben, liefern wir die Grundbausteine unserer Online-Identität, ob wir nun persönliche Daten angeben, um eine neue Branchenstudie abzurufen, oder unsere Angaben in einem sozialen Netzwerk aktualisieren. Dementsprechend sind persönliche Daten sehr bedeutsam für die Personalprozesse in Unternehmen und liefern wesentliche Erkenntnisse über Zugehörigkeit und Diversität, die sich wiederum auf die Gesamterfahrung der Mitarbeiter auswirken. 

Doch wie sollte man angesichts einer Belegschaft, die mehrere Länder, Kontinente und Rechtssysteme umfasst, mit solchen Datenabfragen umgehen?

Das multinationale Technologieunternehmen Thomson Reuters entwickelte angesichts des sensiblen Themas ein gleichermaßen nuanciertes wie durchdachtes Konzept. Das Ziel war es, sicherzustellen, dass die Belegschaft und die Führungsteams ebenso divers aufgestellt sind wie die weltweiten Kunden und Zielgruppen des Unternehmens. Dazu benötigte Thomson Reuters Zugriff auf eine Fülle von Diversitätsdaten, wobei sichergestellt sein muss, dass die Mitarbeitenden diese freiwillig und in fundierter Sachkenntnis bereitstellen. Bei über 25.000 Beschäftigten, verteilt auf 75 Länder, war das keine leichte Aufgabe. Doch um echte Veränderungen herbeizuführen, war dieser Schritt notwendig.

„Ohne Messwerte ist kein Fortschritt möglich“, so Elizabeth Nelson, Vice President of Diversity and Inclusion bei Thomson Reuters. Sie erklärt, dass Thomson Reuters ein klares Ziel verfolgte, das es zu quantifizieren galt, um dessen Fortschritt messen zu können: „Wir wollten sicherstellen, dass weltweit möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter relevante Diversitätsdaten in Workday offenlegen können. Dazu wollten wir ihnen eine vertraute und sichere Umgebung bieten. Gleichzeitig mussten wir natürlich datenschutzrechtliche und andere gesetzliche Vorgaben beachten.“ So klar und deutlich das Ziel auch war, so komplex war die praktische Umsetzung.

Wir haben kürzlich mit Nelson und Dalia Kendik, die das HR Digital-Team von Thomson Reuters leitet, über die Fortschritte gesprochen, die das Unternehmen im Bereich Selbstidentifikation bisher erzielt hat, über die größten Hindernisse, die dabei überwunden werden mussten, und über die positiven Ergebnisse, die im gesamten Unternehmen zu beobachten waren. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, welche Erkenntnisse sie gewonnen haben und wie Sie diese auf Ihr eigenes Unternehmen übertragen können.

Klare Ziele für Zugehörigkeit und Diversität festlegen

Selbstidentifikationsinitiativen können nur dann erfolgreich sein, wenn die Verantwortlichen darlegen können, inwiefern die Ziele zur allgemeinen Unternehmensstrategie beitragen. Ungeachtet der spezifischen Parameter einer Initiative zur Selbstidentifikation sollten deren Ziele stets mit den übergeordneten Prioritäten für Zugehörigkeit und Diversität verknüpft sein. Auf diese Weise können Sie der Belegschaft demonstrieren, dass Sie konsequent auf Ihre zuvor dargelegten Versprechen hinarbeiten, und zeigen, wie die persönlichen Daten der Mitarbeiter letztlich zu Verbesserungen führen.

„Ohne Messwerte ist kein Fortschritt möglich.“

Elizabeth Nelson VP of Diversity and Inclusion Thomson Reuters

Im Fall von Thomson Reuters gab es drei Grundpfeiler, die als Treiber fungierten. Erstens sollten Spitzenkräfte aus unterrepräsentierten Gruppen stärker vertreten sein und gefördert werden. Zweitens sollten Diversitätsinitiativen im gesamten Unternehmen institutionalisiert werden. Und drittens sollte eine Arbeitsplatzkultur geschaffen und gepflegt werden, die Zugehörigkeit als Kernprinzip begreift. Auf diese Weise wollte Thomson Reuters den Wandel auf jeder Unternehmensebene vorantreiben. 

Auch Ihre eigenen Ziele im Bereich Zugehörigkeit und Diversität sollten stets mit messbaren Kennzahlen verknüpft sein. Kendik erläuterte einige der OKRs (Objectives and Key Results) bei Thomson Reuters: Neben einer Verdopplung der Anzahl schwarzer Mitarbeiter in Führungspositionen soll langfristig auch eine Frauenquote von 45 % in Führungsrollen erreicht werden. Diese klar definierten Ziele wären ohne eine Erweiterung von Reichweite und Umfang des Datenbestands nicht möglich gewesen.

Nicht erfasste Daten in messbare Erkenntnisse verwandeln

Bei Thomson Reuters gab es zwar bereits eine umfassende Datenbasis, doch dieser mangelte es an Substanz und Reichweite zur Förderung der Ziele im Bereich Zugehörigkeit und Diversität. „Wir erfassten Daten zu Gender, sozialer und ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung und Behinderung nur in einigen der Länder, in denen wir tätig sind, also mussten wir eine globale Datenbasis anlegen“, so Nelson.

Die Erfassung von Diversitätsdaten kann aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch sein. Nachdem die Ziele feststanden, bestand der nächste Schritt bei Thomson Reuters in der Bildung einer Arbeitsgruppe aus internen HR-Fachkräften, externen Personalberatern, Vertretern der Rechtsabteilung und Datenschutzanwälten. Die Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf einen agilen Ansatz für das Projekt- und Personalmanagement, es wurden Mitwirkende aus einem funktionsübergreifenden Talentpool rekrutiert und das Projekt wurde in Teilabschnitte unterteil. So konnten sich die Mitglieder jeden Tag eine neue Ländergruppe vornehmen, samt den dort geltenden Rechtsvorschriften. Oder um es in den Worten von Nelson zu sagen: „Wie isst man einen Elefanten? Stück für Stück, oder etwa nicht?“

Das galt nicht nur für die Evaluierung der globalen Belegschaft auf Länderbasis, sondern auch für die Frage, welche Datenauskunftsoptionen jeweils angeboten werden sollten. Statt zu versuchen, die einzelnen Formularoptionen für alle Regionen gleichermaßen zu übernehmen, ist es sinnvoller, inkrementelle Fortschritte in mehreren verschiedenen Regionen anzuvisieren und die jeweils kulturellen Besonderheiten zu berücksichtigen. Vor allem sollte man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen, was für sie relevant ist. So erklärt Nelson, dass Thomson Reuters nun in sieben Ländern eine Formularoption zur Angabe der eigenen Religionszugehörigkeit einführt, da von den Mitarbeitern die Rückmeldung kam, dass eine faire Repräsentation der unterschiedlichen religiösen Gruppen wirkungsvoller wäre als die demografischen Optionen, an denen das Team arbeitete.

„Es muss Teil der Strategie sein, das Programm in die täglichen Arbeitsabläufe zu integrieren und die Standardfrage jedes Mitarbeiters zu beantworten: ‚Was habe ich davon?‘.“

Dalia Kendik Head of HR Digital Thomson Reuters

Die täglichen Bedürfnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erfüllen

Neben komplexen rechtlichen Fragen spielen auch Aspekte wie Mitarbeiter-Engagement und -erfahrung eine zentrale Rolle. Der Titel der Thomson Reuters-Initiative spiegelt dies wider: „Count Me In“. Im Mittelpunkt stehen das Freiwilligkeitsprinzip sowie das Interesse und Verständnis der Mitarbeiter. Doch wie animiert man eine Belegschaft zum Mitmachen? Indem man für einen unkomplizierten Ablauf sorgt.

Dem Thomson Reuters-Team gelang dies, indem es bereits bestehende Lösungen funktional erweiterte. „Wir konnten in Workday ein Framework entwickeln, mit dem unsere globale Belegschaft nach eigenem Ermessen sicher und bequem Auskunft über die entsprechenden Diversitätsdaten geben kann“, so Nelson. „Das ist wichtig, um möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu zu bringen, ihre Identitätsdaten bereitzustellen.“ Es verstärkt das Gefühl der Sicherheit, wenn sie dies in Lösungen tun können, mit denen sie vertraut sind. Außerdem beschleunigt dies die Integration der einzelnen Mitarbeiter.

Kendik erklärt: „Es muss Teil der Strategie sein, das Programm in die täglichen Arbeitsabläufe zu integrieren und die Standardfrage jedes Mitarbeiters zu beantworten: ‚Was habe ich davon?‘. Nur so erreichen wir wirklich jeden Mitarbeiter mit unserer ‚Count Me In‘-Initiative. Je einfacher diese Tools und Prozesse zu bedienen sind, desto effektiver sind unsere Strategien und Ziele. Das muss allen Mitarbeitern bewusst sein.“ Im Grunde geht es darum, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verständlich zu machen, welchen Wert ihre Beteiligung an dem Prozess hat: Je unkomplizierter der Prozess ist und je deutlicher sie erkennen, welche Wirkung er auf die Unternehmensstrategie hat, desto eher sind sie bereit, mitzumachen.

„In einigen Kategorien ist die Menge der Identitätsdaten, die uns die Mitarbeiter bereitstellen, um 700 % gestiegen.“

Elizabeth Nelson Vice President of Diversity and Inclusion Thomson Reuters

Die Einbindung von Mitarbeiter-Feedback bewirkt messbaren Wandel

Sie haben die Anforderungen der einzelnen Länderteams in Erfahrung gebracht, das Programm in den Tagesablauf der Mitarbeiter eingebunden und die relevanten Daten erfasst. Jetzt ist es Zeit, aktiv zu werden.

Welche praktischen Maßnahmen sinnvoll sind, hängt davon ab, welche OKRs Ihrer Strategie zugrunde liegen, doch einige Aspekte verlieren nie an Aktualität. Mit demografischen Daten, die regelmäßig aktualisiert werden, lassen sich Einstellungspraktiken, interne Weiterbildungsprogramme und Beförderungsverfahren wesentlich intuitiver optimieren. Die Initiative von Thomson Reuters hat mehrere nachhaltige Verbesserungen ermöglicht. Die Ergebnisse, die sie aus den Diversitätsdaten gewonnen haben, bilden nun das Rückgrat für Optimierungen in den Bereichen globale Workflows, Kommunikation am Arbeitsplatz und Produktportfolio. Die wichtigste Erkenntnis daraus? Wenn Sie erst einmal wissen, wie Ihre Teammitglieder sich selbst sehen, können Sie sie auch besser unterstützen.

Was die Kennzahlen des Selbstidentifikationsprojektes angeht, so trägt Thomson Reuters’ Vorgehen in Projektabschnitten unter Einbindung von Mitwirkenden aus verschiedenen Abteilungen (und sogar unterschiedlichen Unternehmen) bereits erste Früchte. „In einigen Kategorien ist die Menge der Identitätsdaten, die uns die Mitarbeiter im Rahmen der ‚Count Me In‘-Kampagne bereitstellen, um 700 % gestiegen“, freut sich Nelson. „Wir konnten auch unseren Erkenntnishorizont erweitern. Ursprünglich beschränkte sich die Erhebung der Daten zur sozialen und ethnischen Herkunft auf sechs Länder. Jetzt sind es schon 48. Gender und sexuelle Orientierung erfassen wir jetzt in 44 Ländern anstatt sechs. Daten zu Behinderungen wurden früher in 22 Ländern erfasst; nun sind es 68. In sieben Ländern erfassen wir inzwischen außerdem die Religionszugehörigkeit.“ Je mehr Länder und Kennzahlen hinzukommen, desto vielfältiger verspricht die Mitarbeitererfahrung von Thomson Reuters zu werden.

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