Warum Unternehmen die ERP-Modernisierung nicht länger aufschieben können

Zukunftsorientierte CIOs nutzen die Gunst der Stunde, um herkömmliche ERP-Umgebungen zu überdenken. Ihr Hauptziel besteht darin, die Geschäftsprozesse zu transformieren und die Grundlage für eine entscheidungsfähige Organisation zu schaffen. Erfahren Sie, warum der Verzicht auf eine digitale ERP-Kernlösung in eine strategische Sackgasse führt.

Dies ist der erste Artikel einer dreiteiligen Reihe zum Thema ERP-Modernisierung. Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf CIO.com und wird hier mit freundlicher Genehmigung von CIO.com wiedergegeben.  

In den 1870er Jahren wurde das elektrische Licht erfunden und schon in den frühen 1880er Jahren waren die ersten Kraftwerke in Betrieb. Doch um 1900 wurden weniger als 5 % der Maschinen in den Fabriken mit Elektromotoren betrieben. Erst in den 1920er Jahren, fast 50 Jahre nach der Erfindung der Technologie, setzte sich die Technik auf breiter Front durch.

Der Grund für die lange Verzögerung hat mehr mit Psychologie als mit Technologie zu tun. Die Fabrikbesitzer sahen keinen zwingenden Grund für die Elektrifizierung der Fließbänder, die damals von Dampfmaschinen betrieben wurden, die wiederum oberhalb mit langen, serpentinenartigen Lederfließbändern verbunden waren, die an die Fertigungsmaschinen angeschlossen waren. Das änderte sich erst, als eine neue Fabrikbauweise den Einschränkungen durch die zentrale Stromversorgung ein Ende bereitete. Sofort stieg die Produktivität auf ein Rekordniveau

„In den alten Fabriken gab die Dampfmaschine den Takt vor, in den neuen Fabriken hingegen die Arbeiter“, schrieb die BBC.

Die Anekdote ist ein historisches Gleichnis für die Herausforderungen, mit denen heutige Anwender von Enterprise Resource Planning (ERP) konfrontiert sind. Dabei handelt es sich um ein komplexes Softwaresystem, das ursprünglich aus der Fertigungsindustrie stammt und in fast jedem Großunternehmen zu finden ist. In den 1990er und 2000er Jahren wurden ERP-Anwendungen flächendeckend eingeführt. Durch bessere Einblicke in die Geschäftsabläufe sollten auf diese Weise Effizienzvorteile realisiert werden. Doch inzwischen verlangsamen diese Altsysteme den Wechsel zu jenen „Digital-First“-Geschäftsstrategien, die neun von zehn Unternehmen eigenen Angaben zufolge eingeführt haben oder einzuführen beabsichtigen.

„Wenn CIOs und andere Partner aus dem Führungsteam bei der ERP-Modernisierung zusammenarbeiten, können sie ihre Ziele effektiv umsetzen.“ 

Ernesto Boada Interim Chief Information Officer Workday

Vom Prozess zum Fortschritt

Bei ERP geht es nicht um Geschäftstransformation, sondern um Prozesseffizienz. In einem Geschäftsumfeld, in dem der Wandel aufgrund von Globalisierung, regulatorischen Neuerungen, neuen Kundenpräferenzen, Technologien und anderen Faktoren schneller denn je voranschreitet, bremsen starre Altsysteme und technologische Altlasten Unternehmen aus. 

Anders ist das bei „As-a-Service“-Modellen. Der Trend, der als „Software-as-a-Service“ begann, hat sich inzwischen auf fast alle Wirtschaftszweige ausgedehnt, darunter Automobilindustrie, Industrieanlagen und Geräte. Laut IDC dürfte der cloudbasierte As-a-Service-Markt bis 2025 jährlich um 21 % auf mehr als 800 Milliarden USD anwachsen. 

Der Umstieg auf ein Abonnementmodell wirkt sich auf fast alle Bereiche des Unternehmens aus, einschließlich Buchhaltung, Bestandsverwaltung, Geschäftsbeziehungen und Vergütung des Vertriebspersonals. Viele ältere ERP-Systeme sind dieser Aufgabe einfach nicht gewachsen. Instabile, zweckbasierte Architekturen sind schlichtweg nicht darauf ausgelegt, abrupte Änderungen in Bezug auf Einnahmequellen, Kostenrechnungspraktiken oder Geschäftseinheiten zu bewältigen.

Compliance ist eine weitere Herausforderung. Einige Unternehmen müssen Hunderte Gesetze auf Landes- und staatlicher Ebene einhalten, die ständig überarbeitet werden. In den USA befinden sich neue SEC-Vorschriften in Vorbereitung, die Unternehmen dazu verpflichten, Daten zu Themen wie Compliance-Schulungen, Diversität in der Belegschaft, nachhaltige Beschaffung und Emissionsreduzierung vorzulegen. Viele dieser Daten wurden bisher noch gar nicht erfasst und herkömmliche On-Premise-ERP-Systeme müssen jedes Mal aktualisiert und getestet werden, wenn eine neue Vorschrift erlassen wird. 

„Starre Altsysteme und technologische Altlasten bremsen Unternehmen aus“, so Ernesto Boada, Interim-CIO bei Workday. „Mit Systemen dieser Art ist das IT-Team nicht imstande, dem Unternehmen die Daten zugänglich zu machen, die für schnelle Entscheidungen nötig sind.“

Die Kosten der Untätigkeit

Unflexible Anwendungen und knappe IT-Ressourcen führen zu verzögerten Entscheidungs- und Implementierungszyklen. Viele Führungskräfte betrachten die Modernisierung ihres ERP-Systems allerdings als komplexe und kostspielige Aufgabe, die sich nicht rentieren wird. Wie den Fabrikbesitzern Ende des 19. Jahrhunderts fehlt es ihnen an der nötigen Weitsicht, um zu erkennen, dass die Loslösung von ihren derzeitigen Prozessen und Infrastrukturen enormes Potenzial birgt.

„Das ERP-System wird oft als Rückgrat des Unternehmens wahrgenommen und eine Rücken-OP ist nun mal eine kostspielige und komplexe Angelegenheit“, so Bo Lykkegaard, Associate Vice President, European Software Research bei IDC. „Doch der Bedarf an größerer Transparenz, größerer unternehmensweiter Agilität und höherer Mitarbeiterproduktivität treibt Unternehmen aller Größenordnungen dazu, ihr ERP zu modernisieren.“

Doch bei der ERP-Modernisierung ist es nicht damit getan, „neue“ Technologien in ein altes Technologiekonzept zu integrieren. Echte Innovation entsteht dann, wenn Unternehmen Technologien so einsetzen, dass etwas völlig Neues entsteht. Mithilfe von künstlicher Intelligenz, die Prozesse automatisiert, die früher durch Menschen erledigt werden mussten, kann eine moderne ERP-Lösung Routineaufgaben wie Buchhaltung und Finanzanalysen in strategische Aufgaben verwandeln. Finanzfachkräfte werden auf diese Weise von der administrativen Fleißarbeit entlastet, sodass sie sich sinnvolleren Themen wie Kompetenzentwicklung und Kundenzufriedenheit widmen können. 

„Die Transformation ist erfolgreich, wenn Unternehmen Technologien und Geschäftsprozesse verbinden, um innovativ zu sein, statt beim Thema ERP-Modernisierung nur an die Kosten zu denken“, erklärt Boada.

Business ist Wissen

Im Zentrum der führenden Unternehmen unserer Zeit stehen Informationen. Im Jahr 1975 machten immaterielle Vermögenswerte wie geistiges Eigentum etwa 17 % des durchschnittlichen Firmenwerts aus. Heute sind es 90 %. Moderne, cloudbasierte ERP-Modelle fördern die digitale Transformation, indem sie Informationen in einer kollaborativen und vernetzten Lösung allen Anwendern unmittelbar zugänglich machen, die sie benötigen, sodass diese schnell reagieren können, wenn sich die Umstände ändern.

Bei diesem Ansatz basieren Pläne und Entscheidungsprozesse nicht mehr auf terminierten Szenarien, sondern auf der unternehmensweiten Verarbeitung von Datensätzen in Echtzeit, die zu kontinuierlichen Prognosen führen, die Finanz-, Betriebs- und Personaldaten mit externen Daten kombinieren. Regelmäßiges Reporting zur Weiterbildung der Mitarbeiter, Personalentwicklung und Performance kann durch kontinuierliche Analysen zu Mitarbeiter-Engagement und Wohlbefinden ersetzt werden – Aspekte, die 85 % der Führungskräfte für ein optimales Kundenerlebnis als maßgeblich betrachten. 

Ein modernes ERP-Modell fördert die unternehmensweite Agilität durch Prozessautomatisierung, entsprechende Ansätze und Change-Management-Support. Dadurch werden Unternehmen nicht nur anpassungsfähiger, sondern können sich auf dem wettbewerbsintensiven Fachkräftemarkt auch besser gegen Konkurrenten durchsetzen. Der Abbau administrativer Routineaufgaben, die sich negativ auf die Motivation auswirken, ermöglicht Organisationen den Fokus auf die Kunden. Durch integrierte Befragungen lassen sich Stimmungstrends und das Mitarbeiter-Engagement konsequent im Auge behalten. 

Eine modere Lösung trägt dazu bei, Backend-Geschäftsprozesse zu optimieren, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen und allen Anwendern wichtige Daten zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen. Sie kann an branchenspezifische Lösungen angebunden werden, um Unternehmen umfassendere Einblicke ins Geschäft zu gewähren. Mithilfe von Low-Code-/No-Code-Tools können Kunden den anfänglichen Funktionsumfang der Lösung erweitern oder neue Funktionen entwickeln, wenn die Umstände dies erfordern, ohne die Kernanwendungen modifizieren oder offline nehmen zu müssen. Sie sind weder an einen bestimmten Anbieter noch an eine bestimmte Softwareversion gebunden, wodurch Innovationspotenzial freigesetzt wird.

Moderne, cloudbasierte ERP-Modelle fördern die digitale Transformation, indem sie Informationen allen Anwendern, die sie benötigen, in einer kollaborativen und vernetzten Lösung unmittelbar zugänglich machen, sodass diese schnell auf Veränderungen reagieren können.

Die Cloud als Katalysator

Weniger als die Hälfte (41 %) der ERP-, CRM- und geschäftsbereichsspezifischen Anwendungen sind bislang in der Cloud, doch der Abbau von On-Premise-Umgebungen dürfte in Zukunft schneller voranschreiten, da weitere 36 % diese geschäftskritischen Anwendungen innerhalb der nächsten drei Jahre ebenfalls dazu übergehen wollen. Für den erfolgreichen Wechsel zu einer modernen ERP-Lösung müssen CIOs im Einklang mit den Abteilungsleitern arbeiten, um den Prozess auf die geplanten Unternehmensergebnisse abzustimmen. Um dies zu gewährleisten, sollten IT-Führungskräfte nach Plattformen Ausschau halten, die den Geschäftsbereichen eine zuverlässige, sichere Datenbasis an die Hand geben, die auf häufige Änderungen ausgelegt ist.

„Wenn CIOs und andere Partner aus dem Führungsteam bei der ERP-Modernisierung zusammenarbeiten, können sie ihre Ziele effektiv umsetzen“, sagt Boada. 

Es wird Zeit, die Dampfmaschinen abzuschaffen und modernen Unternehmenslösungen das Feld zu überlassen. Warten Sie nicht erst 50 Jahre. 

Der nächste Artikel dieser Reihe befasst sich mit der Frage, wie der Weg zu einer modernen ERP-Umgebung aussieht. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie CIOs wichtige Modernisierungsinitiativen in Angriff nehmen, finden Sie weitere Beiträge zu diesem Thema auf CIO.com.

Weiteres Lesematerial