Vermeidung digitaler Schulden
Vor allem ist die rasche Verbreitung generativer KI außergewöhnlich. Barclay wies darauf hin, dass das Internet sieben Jahre brauchte, um 100 Millionen Anwender zu erreichen. ChatGPT hat die gleiche Zahl in gerade einmal zwei Monate erreicht (ein Rekord, der inzwischen von Threads übertroffen wurde, Metas neuester Social-Media-Plattform, deren Look-and-Feel dem des früher als Twitter bekannten Kanals ähnelt).
„Ein derart hohes Akzeptanzniveau ist bisher einzigartig. Diese Entwicklung wird disruptiv auf alle Branchen wirken und deren traditionelle Prozesse verändern“, so Barclay weiter. „Sie wird außerdem signifikante Auswirkungen auf die Arbeitswelt und die Arbeitsweisen der Menschen haben.“ Sie zitierte eine PwC-Studie, deren Berechnungen zufolge das britische BIP durch KI bis zum Ende des Jahrzehnts um über 10 Prozent gesteigert wird, was einer Steigerung von 232 Milliarden GBP entspricht.
Um jedoch die Vorteile der KI zu nutzen, müssen Finanz- und HR-Teams zusätzliche Anstrengungen unternehmen, unterstreicht Barclay. Bezug nehmend auf weitere Microsoft-Studien warnte sie, dass 64 Prozent der Mitarbeiter nicht genügend Zeit oder Energie haben, ihren täglichen Aufgaben nachzugehen. „Sie sind durch das hohe Arbeitstempo, Burnout und mangelnde Produktivität herausgefordert und überfordert. Wir nennen diese Informationsflut „digitale Schulden“, das sie Energie verbraucht, die Fähigkeit, klar zu denken, verlangsamt und innovative Kreativität stark beeinträchtigt.“
KI kann dem entgegenwirken. „Es wurde viel über Arbeitsplatzverluste und die Auswirkungen von KI diskutiert, aber die Studie hat gezeigt, dass Führungskräfte weltweit am wenigsten daran interessiert sind, KI zum Abbau von Arbeitsplätzen einzusetzen“, so Barclay. „Vielmehr sind sie davon überzeugt, dass KI den Beschäftigen dabei helfen wird, produktiver zu arbeiten und sich auf sinnstiftende Aufgaben zu konzentrieren. Auch das Wohlbefinden wird positiv beeinflussen – offenbar eine positiver Seiteneffekt der digitalen Schulden.“
Kurz gesagt, stellt KI Finanz- und HR-Teams digitale Assistenten oder „Copilots“, wie Microsoft sie nennt, zur Verfügung. „Diese Copilots helfen den Mitarbeitern dabei, die digitale Flut zu bewältigen, die wichtigsten Aufgaben zu priorisieren, ansprechende Inhalte zu erstellen und ihre Kreativität signifikant zu verbessern“, fügt Barclay hinzu. „Letztlich sorgt diese Technologie dafür, dass die Mitarbeiter klare Anweisungen und die für sie relevanten Informationen erhalten.“
KI als Copilot
Sinnvoll eingesetzt, reduziert KI in ihren verschiedenen Formen die Arbeitslast von HR- und Finanzteams, erläutert Helen Poitevin, Distinguished VP Analyst, HCM bei Gartner, Paris. „Da KI in Zukunft hyperpersonalisierte Empfehlungen und Einblicke rund um die Mitarbeiter liefern kann, können HR-Experten die Belegschaft besser bei der Erstellung von Karriereentwicklungsplänen, der Optimierung von Dokumentationsaufgaben und der Verbesserung des Onboarding-Prozesses unterstützen.“
Daniel Pell, UKI Country Manager für Workday, weist darauf hin, dass HR-Abteilungen bereits verstärkt „Selfservice“-Tools für Mitarbeiter einführen, um deren administrative Workload zu reduzieren. In immer mehr Unternehmen können Mitarbeiter Urlaube und Abwesenheiten über eine Smartphone-Anwendung oder ein Intranet-Portal beantragen – ohne die HR-Abteilung zu kontaktieren.
Allerdings hält der Learning-Prozess nicht mit dem Arbeitstempo Schritt. Laut Prognosen des Work Economic Forum müssen bis 2027 60 Prozent der Arbeitskräfte weiterqualifiziert werden, allerdings hat weniger als die Hälfte Zugang zu den notwendigen Trainingsmaßnahmen.