Warum Skills und Kompetenzen nach der Pandemie für europäische Unternehmen Priorität haben

Wie hat sich die COVID-19-Pandemie auf die Kompetenzanforderungen von Unternehmen als Voraussetzung für zukünftigen Erfolg ausgewirkt? Dieser Artikel untersucht, wie Unternehmen in Europa den Aufbau von Kompetenzen fördern und ihre Belegschaft kontinuierlich weiterentwickeln können, um in der post-pandemischen Welt erfolgreich zu sein.

Die Geschäftswelt bereitet sich auf die Rückkehr der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Arbeitsplatz vor, doch die zunehmende Popularität des Homeoffice hat die Situation in vielen Unternehmen grundlegend verändert und zu einer Beschleunigung der digitalen Transformation geführt. Bei dem Versuch, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Remote-, Büro- und Hybridmodellen zu schaffen, stellt sich die Frage, inwiefern neue Skills und Kompetenzen erforderlich sind. Wie gelingt es also HR-Führungskräften in führenden europäischen Unternehmen, dringend benötigte Kompetenzen und Talente zu identifizieren, zu entwickeln und zu binden, um den Erfolg des Unternehmens in der Zeit nach der Pandemie zu sichern?

Es mag nicht überraschen, dass laut einer Studie von Workday in Kooperation mit Yonder Kompetenzentwicklung und neue Karrierechancen europäischen Arbeitnehmern auf dem Weg aus der Krise zurück in ein erfolgreiches Berufsleben besonders wichtig sind. Eine beunruhigende Erkenntnis aus der Studie „Die Mitarbeiterperspektive: Stimmungstrends und Prioritäten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Europa“ erklärt, warum dieser Aspekt so bedeutend ist: Knapp die Hälfte aller Studienteilnehmer im Alter zwischen 18 und 34 Jahren sind der Meinung, dass ihre Möglichkeiten, neue Aufgaben zu übernehmen und neue Kompetenzen zu erwerben, 2020 begrenzt waren.

Unternehmen mit Skills-First-Ansatz

Durch die Corona-Pandemie rücken Skills und Kompetenzen wieder stärker in den Fokus. So berichtete Julien Fanon, Managing Director bei Accenture, kürzlich auf einer Veranstaltung von Workday Digital Experience in Frankreich, dass Arbeitnehmer verstärkt von ihrem Arbeitgeber erwarten, dass er ihre kontinuierliche Kompetenzentwicklung fördert und dem Erwerb neuer Qualifikationen Priorität einräumt.

„Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erwarten von ihren Vorgesetzten, das sie die Entwicklung von Kenntnissen priorisieren. Für Unternehmen sollte daher die kontinuierliche Weiterbildung und Entwicklung an vorderster Stelle stehen“, so Fanon. „1985 konnte man noch davon ausgehen, die während der Ausbildung erlernten Fertigkeiten in der gesamten beruflichen Laufbahn ohne jegliche Weiterbildung ausüben zu können. Im Regelfall waren das 30 Jahre, während einige Kenntnisse heute bereits nach fünf Jahren veraltet sind. Das macht entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen unerlässlich.“

Mit über 120.000 Beschäftigten ist der Bereich Talent- und Kompetenzmanagement für Michelin, den multinationalen Reifenhersteller mit Sitz in Clermont-Ferrand, Frankreich, von entscheidender Bedeutung. Véronique Etiévant, Digital Competency Manager bei Michelin, erklärt: „Es ist wichtig, in kritischen Bereichen im entscheidenden Moment über die richtigen Kompetenzen zu verfügen und entsprechenden Anforderungen vorgreifen zu können. Um die geschäftlichen Ziele zu erfüllen und die Kosten zu senken, bedarf es einer Neuklassifizierung von Skills und Kompetenzen.“

„Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erwarten von ihren Vorgesetzten, das sie die Entwicklung von Kenntnissen priorisieren. Für Unternehmen sollte daher die kontinuierliche Weiterbildung und Entwicklung an vorderster Stelle stehen.“

Julien Fanon Managing Director Accenture, Frankreich

„Vor unserer HR-Transformation im Jahr 2016 wurden Kompetenzen bei uns von Rollen referenziert. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie effizient eingesetzt, für die Beschäftigten transparent oder im Hinblick auf ihre Relevanz klar definiert waren. Wir hatten nicht einmal die nötigen Tools, um Kompetenzen zu bewerten. Doch seit der Transformation der Personalfunktion sind Kompetenzen ein Kernstück unseres Systems. Besonders wichtig für uns ist die kontinuierliche Entwicklung von Kompetenzen als Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung von Beschäftigten und Teams.“

Wie HR Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung identifizieren kann

Die Herausforderung besteht jedoch nicht nur darin, die Einbindung und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern. In der globalen McKinsey-Studie „Beyond Hiring: How Companies Are Reskilling to Address Talent Gaps“ beklagten 87 % der befragten Führungskräfte Kompetenzlücken. Doch nicht einmal die Hälfte hatte eine klare Vorstellung davon, wie dieses Problem behoben werden könnte. Wie kann die HR-Funktion eine Vorreiterposition einnehmen und dafür sorgen, dass die benötigten Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sind?

Im Gespräch über das Deployment von Workday Human Capital Management bei Michelin erläuterte Etiévant, welche drei Bereiche maßgeblich dazu beitragen, Lücken zu identifizieren und Mitarbeitern Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung aufzuzeigen.

„Zunächst einmal muss man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ihre Kompetenzentwicklung selbst in die Hand zu nehmen. 80 % der Beschäftigten bei Michelin wurden inzwischen in Bezug auf mindestens zwei Kompetenzen beurteilt. Ebenso wichtig sind detaillierte Einblicke in den Kompetenzpool und damit in die Anforderungen unseres Unternehmens. Das führt uns zum dritten Punkt – ein individuelles Weiterbildungsangebot, das jedem mit Workday zur Verfügung steht. Das ist sehr wichtig, weil die Beurteilung allein nicht ausreicht. Sie ist nur der Auslöser. Darüber hinaus sind wir gefordert, Kompetenzlücken durch entsprechende Entwicklungsmaßnahmen zu schließen. Es reicht nicht, im Rahmen eines sechsmonatigen Einstiegstrainings eine Fülle von Informationen zu vermitteln und es dann dabei zu belassen. Entscheidend ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Kompetenzen“, so Etiévant.

„Wir müssen uns heute schon auf morgen vorbereiten.“

Véronique Etiévant Digital Competency Manager Michelin

Statt außerhalb des Unternehmens auf Talentsuche zu gehen, sollten sich HR-Führungskräfte auf die Weiterqualifizierung der vorhandenen Belegschaft konzentrieren, um sich für aktuelle und künftige Umbrüche zu wappnen.

Durch Weiterqualifizierung entsteht eine Beziehung, von der beide Seiten profitieren. Der Ausbau interner Kompetenzen erhöht nicht nur die Fähigkeit des Unternehmens, sich rasch an Veränderungen anzupassen, sondern bietet den Beschäftigten auch neue Qualifizierungsmöglichkeiten für ihre weitere Karriere.

Warum Kenntnisse und Kompetenzen nicht dasselbe bedeuten

Für Unternehmen ist ein genauer Überblick über die vorhandenen Kompetenzen zweifellos wichtig, doch noch wichtiger sind Einblicke in das Kompetenzniveau der Belegschaft. Die Begriffe „Kompetenz“ und „Kenntnis“ werden oft synonym verwendet, auch wenn sie eine unterschiedliche Bedeutung haben. So ist es für die HR-Abteilung äußerst wichtig, sich ein Bild von der Qualität der vielfältigen Kenntnissen der Belegschaft zu machen.

Etiévant erklärt im Hinblick auf die Kompetenzstrategie bei Michelin: „Die Skills oder Kenntnisse eines Mitarbeiters sagen etwas über seine Fertigkeit in Bezug auf eine bestimmte Aufgabe aus. Sie geben Aufschluss über das ‚Was‘, doch wie sieht es mit dem ‚Wie‘ aus? Eine Sache einfach zu beherrschen reicht nicht aus. Erst anhand von Kompetenzen zeigt sich die tatsächliche Eignung in einem beruflichen Umfeld. Sie geben Aufschluss darüber, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an eine Aufgabe herangehen, welche Verhaltensweisen sie zeigen und wie kompetent sie ihre Arbeit erledigen. Kompetenzen lassen sich in bestimmte Niveaus einteilen. Bei Michelin legen wir unterschiedliche Niveaus von 1 bis 5 zugrunde, um den Grad der Kompetenz und damit den Unterschied zwischen dem ‚Was‘ und dem ‚Wie‘ zu verdeutlichen.“

Neue Skills und die gemeinsame Karriereförderung

Zur Identifizierung von Kompetenzlücken sind die richtigen Tools und Daten zweifellos wichtig. Doch es kommt ebenso darauf an, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dabei zu unterstützen, ihre Karriere eigenverantwortlich voranzutreiben. Viele Unternehmen, darunter auch Michelin, setzen auf Eigenverantwortung und gemeinsame Karriereförderung. Bei diesem Ansatz sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen dafür verantwortlich, Bereiche für die Entwicklung neuer Skills zu erkennen und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen zu planen.

„Wir müssen uns heute schon auf morgen vorbereiten. Sobald sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aktiv um die Verbesserung ihrer Kompetenzen bemühen, steigt die Zufriedenheit, weil sie die konkreten Vorteile erkennen“, so Etiévant. „Ich stimme dem Konzept der gemeinsamen Kompetenzentwicklung und eigenverantwortlichen Karriereförderung zu, doch erfordert dies unbedingt das Engagement beider Seiten. Da ist einmal die Mitarbeiterseite, aber da ist auch das Management, das die Teams auf dem Weg nach oben unterstützen muss. Und als dritter Akteur kommt noch der lokale Entwicklungspartner aus der HR-Funktion hinzu. Die Zusammenarbeit all dieser Akteure bewirkt diese neue Evolution und ich hoffe, dass wir auf diese Weise die Skills entwickeln können, die wir alle für die Zukunft benötigen.“

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