Pride: Auf dem Weg zu echten und nachhaltigen Veränderungen

Wie können Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten, in denen die Polarisierung zwischen den Communitys zunimmt, ein authentisches und nachhaltiges Konzept für den Pride Month vorlegen? Wir haben mit Rogerio Almeida,Vice President of Global Field Alliances bei Workday, über seine persönlichen Erfahrungen in der LGBTQ+-Community gesprochen.

Empathie stand beim Pride Month schon immer im Mittelpunkt. In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969, einem Samstag, kam es zum Aufstand der Mitglieder der New Yorker LGBTQ+-Community. Als direkte Reaktion auf eine Polizeirazzia in der Schwulenbar Stonewall Inn gingen sie auf die Straße. Nach mehreren Jahrzehnten, in denen sie verfolgt, erniedrigt und gezwungen wurden, Teile ihrer Identität zu unterdrücken, setzten sie sich nun zur Wehr. Der Aufstand dauerte ganze sechs Tage. 

Heute, 52 Jahre später, steht das Gedenken an die Stonewall-Proteste im Mittelpunkt eines Monats voller Events, die queere Kultur in all ihren Facetten feiern und würdigen. Auch wenn die Pride-Feierlichkeiten im Juni in der US-amerikanischen Geschichte verwurzelt sind, wird der Pride Month in zunehmend mehr Ländern der Welt gefeiert, darunter in Australien, Brasilien, Deutschland, Spanien sowie im Vereinigten Königreich.

Trotz des Wachstums der Bewegung hat Pride für Rogerio Almeida, Vice President of Global Field Alliances bei Workday, nichts von seiner individuellen Bedeutung eingebüßt. „Pride hat für mich eine große persönliche Bedeutung. Es ist ein Moment, in dem wir den Menschen gedenken, die durch die AIDS-Tragödie nicht mehr unter uns weilen. Es ist ein Zeichen des Widerstands gegen all jene, die uns nicht akzeptieren, und eine Gelegenheit, Freundschaft, Liebe, Hoffnung und Respekt unter allen Menschen unabhängig von ihrer Identität zu feiern.“

Im Rahmen unserer VIBE Voices-Reihe haben wir Rogerio in London getroffen, um von ihm zu erfahren, wie er diese Zeit als leitende Führungskraft bei Workday und als britischer Leiter unseres Employee Belonging Council „Pride at Workday“ erlebt. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie sich seine Homosexualität auf sein Berufsleben auswirkt, warum LGBTQ+-Mentoringprogramme so wichtig sind und welche Veränderungsprozesse im Unternehmen bewirkt werden können, wenn alle an einem Strang ziehen.

„Dass ich offen und ehrlich damit umgegangen bin, wer ich bin, war entscheidend dafür, dass sich meine Karriere so entwickelt hat. Es hat mir auch geholfen, enge Freundschaften zu knüpfen und ein glücklicheres und gesünderes Leben zu führen.“ 

Rogerio Almeida Vice President of Global Field Alliances Workday

Die Bürde unsichtbarer Identitäten im Berufsleben

Rogerios Karriere umspannt nicht nur verschiedene Unternehmen, sondern auch mehrere Länder. Er begann seine Karriere in der Technologiebranche in seinem Heimatland Brasilien, zog dann 1999 nach Großbritannien und arbeitete in diversen Technologieunternehmen, bevor er zu Workday kam. Man merkt Rogerio, der sein ganzes Berufsleben lang in dieser Branche gearbeitet hat, die Leidenschaft für seine Tätigkeit sofort an. „Ich war in allen Unternehmen, in denen ich gearbeitet habe, sehr glücklich und habe in jedem einzelnen langfristige Freundschaften geknüpft.“

Wie viele Mitglieder LGBTQ+-Community sah sich auch Rogerio durch seine Identität gezwungen, bestimmte Aspekte seines Lebens voneinander zu trennen. „Im Berufsleben habe ich mich erst mit 35 Jahren geoutet, doch meine Freunde und Familie wussten schon viel früher, dass ich schwul bin. Es mangelte an beruflichen Vorbildern und nicht-heterosexuelle Partnerschaften wurden so gut wie gar nicht thematisiert – insbesondere auf der Führungsebene der Organisationen.“ Nach einer persönlichen Tragödie war es Rogerio wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem er offen mit seiner Identität umgehen konnte.

„Ich habe meinen Partner Adrian durch Selbstmord verloren. Das war eine sehr schwere Zeit für mich. Der Verlust setzte in meinem Leben eine Reihe von Ereignissen in Gang, die mich dazu brachten, mich am Arbeitsplatz zu outen und mich für deutlich stärkere Inklusion im beruflichen Umfeld einzusetzen. Auch mein Bewusstsein und meine Sensibilität für psychische Probleme und ihre Folgen, wenn sie unbehandelt oder unbemerkt bleiben, sind seither stark gestiegen.

„Dass ich offen und ehrlich damit umgegangen bin, wer ich bin, hat meine Karriere tatsächlich enorm beflügelt. Es hat mir auch geholfen, engere Freundschaften zu knüpfen und ein glücklicheres und gesünderes Leben zu führen. Genau das, von dem ich befürchtet hatte, es könnte meiner Karriere schaden, machte mich letztlich zu einer stärkeren und besseren Führungskraft.“

Maßnahmen im Bereich LGBTQ+-Mentoring und psychologische Sicherheit 

In den Jahren nach seinem Outing im Berufsleben kletterte Rogerio immer weiter die Karriereleiter hinauf. Dadurch konnte er selbst die Mentor- und Vorbildfigur sein, die ihm früher gefehlt hatte. Sein Ziel war es, auf eine gut integrierte und konstruktive Community hinzuarbeiten. „Ein Netzwerk aus Vorbildern, Mentoren und Beratern, die sich für die Mitglieder der LGBTQ+-Community einsetzen, ist essenziell. Der Wert wohlmeinender und zugänglicher Führungskräfte ist nicht zu unterschätzen.“

Die Bedeutung von Mentoren wird offensichtlich, wenn man sich Rogerios eigene Erfahrungen als junger Mann vor Augen hält. Damals versuchte er verzweifelt, sich anzupassen und dem vermeintlichen Leitbild des „Geschäftsmanns“ gerecht zu werden. Rogerio bezweifelt nicht, dass die nächste Generation „andere Ansichten, Ziele, sozioökonomische Hintergründe, Erwartungen usw.“ haben wird. Doch auch wenn die Zeiten sich ändern, wird Repräsentation stets von großer Bedeutung sein. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt da draußen nicht so LGBTQ+-freundlich ist, wie wir es uns für das 21. Jahrhundert wünschen würden. Die Themen Repräsentation und Gleichberechtigung sind heute wichtiger denn je.“ 

Er ist jedoch zuversichtlich, dass Führungskräfte aus der LGBTQ+-Community durch ihr Engagement echte Veränderungen bewirken können. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen, die nach uns kommen, sicher, willkommen und wertgeschätzt fühlen. Nur so können sie sich am Arbeitsplatz optimal entfalten.“

Mentorenprogramme sind wichtig, auch sie können jedoch nichts bewirken, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht trauen, ihre Meinung zu sagen und sie selbst zu sein. Darum müssen Arbeitgeber, die unternehmensweit ein Gefühl der Zugehörigkeit und Inklusion fördern wollen, eine Kultur der psychologischen Sicherheit schaffen. Rogerio ist sich der schädlichen Auswirkungen von Mikroaggressionen und beleidigenden Witzen nur allzu bewusst.

„Im Brasilien der 1980er Jahre waren Witze über Homosexuelle allgegenwärtig. Ich weiß noch, wie ich mitgelacht habe, um bloß nicht aufzufallen ... und dass es sich jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt hat, wenn ich gegrinst und mitgewitzelt habe. Zu Beginn der 2000er Jahre, während einer Geschäftsreise, saß ich einmal mit einigen Kollegen in Brüssel in einem Restaurant. Einer von ihnen machte eine abfällige Bemerkung über einen androgynen Mann, der an unserem Tisch vorbeiging. Diesmal widersprach ich. Ich lachte nicht über den Witz, sondern erklärte sehr bestimmt, dass ich es nicht komisch fand.“

„Wir als Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen, die nach uns kommen, sicher, willkommen und wertgeschätzt fühlen. Nur so können sie sich am Arbeitsplatz optimal entfalten.“

Die Schaffung eines sicheren Arbeitsumfelds für alle – ob im Büro oder bei Veranstaltungen im Kollegenkreis – ist von enormer Bedeutung. Rogerio empfiehlt, den Schwerpunkt auf Aufklärung, Mentoring, Kommunikation am Arbeitsplatz und Safe Spaces zu legen und im gesamten Unternehmen klare Verhaltensregeln aufzustellen. Besonders wichtig sind seiner Ansicht nach offene Räume zum Lernen und Diskutieren. „Wir alle machen Fehler und einige von uns haben verständlicherweise Angst, andere zu beleidigen, weil sie unwissentlich ein falsches Wort oder eine falsche Formulierung verwenden. Das beste Mittel dagegen sind Aufklärung und offene Kommunikation.“

Authentische Unterstützung seitens des Unternehmens für die Pride-Bewegung schaffen

Die Pride-Bewegung ist im gemeinschaftlichen Protest einer Community verwurzelt. Daher ist oft nicht klar, welche Position Unternehmen vor diesem Hintergrund einnehmen können oder sollten. Es kann sogar passieren, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungehört oder missverstanden fühlen, wenn ihr Unternehmen Unterstützung für Anliegen der LGBTQ+-Community in den sozialen Medien zum Ausdruck bringt, ohne dass die Themen Inklusion und Diversität intern im Fokus stehen. Für Rogerio ist dies eine Frage der Authentizität. „Ich liebe das Wort „authentisch“. Das ist des Rätsels Lösung. Authentisches Engagement für die LGBTQ+-Community bedeutet gleichberechtigte Ehereglungen, gleiche Rechte bei der Kinderbetreuung, gleiches Entgelt, gleiche Chancen in allen Bereichen des Unternehmens. Chancengleichheit ist das A und O.“

Im Unternehmen erkennt man echtes Engagement auch daran, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das gesamte Jahr lang Unterstützung erfahren und nicht nur zu besonderen Anlässen. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen Workday wirklich am Herzen. Das zeigt sich an den Maßnahmen, die das Unternehmen ergreift, um uns nicht nur zu schützen, sondern uns auch beruflich zum Erfolg zu verhelfen.“ Bei Workday beruht dieses nachhaltige Engagement für Veränderungen auf der Prämisse „Inklusion, Zugehörigkeit und Gleichberechtigung für alle – ein Konzept, das wir VIBE™ nennen. „VIBE zeigt sich daran, welche Führungsqualitäten wir fördern, wie wir miteinander umgehen, wie wir unsere Produkte entwickeln, wie wir neue Teammitglieder willkommen heißen sowie anhand vieler weiterer Aspekte. Es gibt noch eine Menge zu tun, aber Workday nimmt dieses Thema sehr ernst. Das gilt für unser Führungsteam, das gilt für die Abteilungsmanager und das gilt für jede einzelne Person, die einen Beitrag leistet.“  

„Wir alle machen Fehler und einige von uns haben verständlicherweise Angst, andere zu beleidigen, weil sie unwissentlich ein falsches Wort oder eine falsche Formulierung verwenden. Das beste Mittel dagegen sind Aufklärung und offene Kommunikation.“

Gemeinsam aktiv werden

Ein echter Systemwandel erfordert langfristige Verpflichtungen zur Verbesserung der Diversitätskennzahlen sowie die Aufklärung der Belegschaft über Diversität am Arbeitsplatz in all ihren Facetten und der Bedeutung einer sicheren Methode zur Bereitstellung von Identitätsdaten. Doch wo soll man bei all dem anfangen? Fragt man Rogerio danach, was echte Verbündete und Fürsprecher auszeichnet, so betont er einmal mehr, dass sich Veränderungen am besten durch gemeinschaftlichen Zusammenhalt erreichen lassen.    

„Als Erstes muss man sich von dem Gedanken lösen, dass sich darum mal jemand kümmern müsste. Machen Sie selbst den Anfang. In jeder Gemeinschaft gibt es LGBTQ+-Personen. Vielleicht gibt es jemanden in Ihrer Familie, in Ihrer Nachbarschaft oder in Ihrer religiösen Gemeinde und ganz bestimmt an Ihrem Arbeitsplatz. „Das geht mich nichts an„“ ist eine Ausrede, denn das Thema geht alle etwas an. Stehen Sie jemandem als Verbündeter zur Seite oder engagieren Sie sich in der Gruppe. Informieren Sie sich. Achten Sie auf Ihre Wortwahl. Lachen Sie über die richtigen Witze. Stoßen Sie selbst die Veränderungen an, die sie sich wünschen. Wir alle haben in uns selbst die Kraft und Fähigkeit, diese Welt besser zu machen. Gehen Sie mit Empathie voran.“

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