Drei Wege, wie Mensch und KI zu einem starken Team werden

Das eigentliche Risiko beim Einsatz von KI liegt nicht in den Algorithmen selbst, sondern darin, dass Mitarbeitende zwar das Prompting lernen, dabei aber zentrale menschliche Fähigkeiten aus dem Blick geraten: Kreativität, Zusammenarbeit und kritisches Denken.


KI verändert das Arbeitsumfeld grundlegend und damit auch die Art des menschlichen Lernens. Diese Transformation hat eine dringliche Diskussion mit meinen Peers in der L&D-Community (Learning & Development) angestoßen. Während KI nie dagewesene Produktivität und Effizienz verspricht, birgt sie auch ein erhebliches Risiko: Wir könnten uns zu Arbeitskräften entwickeln, die zwar das Prompting von Algorithmen beherrschen, gleichzeitig aber die menschlichen Fähigkeiten verlieren, die Wachstum, Anpassungsfähigkeit und Innovation ermöglichen. 

Seit Beginn meiner Karriere hat sich das 70:20:10-Modell als anerkanntes Framework für L&D etabliert: 70 % unseres Lernens erfolgen durch praktische Erfahrungen, 20 % durch Beziehungen und 10 % durch formale Weiterbildung und persönliche Entwicklung. Wenn es darum geht, Fortschritte in einem Bereich voranzutreiben – sei es im Unternehmen, im Non-Profit-Bereich oder im öffentlichen Sektor –, hängt der Erfolg in der Regel von unserer einzigartigen menschlichen Fähigkeit ab, kontinuierlich zu lernen, uns weiterzuentwickeln und uns zu verändern. 

Um eine starke Partnerschaft zwischen Mensch und KI zu fördern, braucht es drei strategische Schlüsselelemente: Wir müssen die Personalentwicklung durch erfahrungsbasiertes Lernen neu definieren, unsere sozialen Kontakte vertiefen und gezielt Raum für Innovation und Wachstum schaffen. 

Personalentwicklung neu gedacht: Erfahrungslernen im Fokus

Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt: „Erfahrung ist der beste Lehrmeister.“ Ich weiß, da ist etwas dran, weil ich es selbst erlebt habe. Während meiner ersten 15 Jahre im L&D-Bereich hatte ich das große Glück, mit echten Koryphäen unseres Fachs zusammenzuarbeiten. Mein Beitrag zur Weiterentwicklung und Anwendung des 70:20:10‑Modells beruhte nicht auf Lehrbuchwissen oder reiner Theorie, sondern auf praktischem, erfahrungsbasiertem Lernen.

Eine wirkungsvolle Möglichkeit, erfahrungsbasiertes Lernen zu fördern, besteht heute darin, KI-Funktionen gezielt einzusetzen, um die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und die Entwicklung von Kompetenzen aktiv zu unterstützen.  

Stellen Sie sich eine KI vor, die nicht nur eine Aufgabe automatisiert, sondern gleichzeitig das „Warum“ und „Wie“ dahinter vermittelt. Beispielsweise könnte ein KI-gestütztes Finanzanalysetool nicht nur Berichte generieren, sondern auch relevante Learning‑Module bereitstellen – Inhalte, die die zugrunde liegenden Finanzprinzipien erklären und zeigen, wie diese Daten für strategische Entscheidungen genutzt werden können. Mit anderen Worten: Das KI-Tool erledigt nicht nur die Arbeit, es vermittelt Ihnen auch die entsprechenden Skills. Sie erhalten nicht nur eine Antwort, sondern erwerben eine Kompetenz.

Indem wir KI für Lern- und Entwicklungschancen nutzen, verwandeln wir passive Interaktionen in aktive Learning-Erfahrungen in Echtzeit – und machen Kompetenzentwicklung zu einem integralen Bestandteil der täglichen Arbeit.

Über die reine Automatisierung hinaus lässt sich KI so gestalten, dass sie Echtzeit-Feedback und -Orientierungshilfen bereitstellt. Sozusagen ein virtueller Coach, der Mitarbeitende der Entwicklung wichtiger Skills unterstützt. Erhält etwa ein Mitarbeiter im Rahmen eines Performance-Reviews Feedback zu Bereichen mit Entwicklungspotenzial, könnte KI proaktiv Vorschläge für Weiterqualifizierungsmaßnahmen anbieten. Etwa zu komplexer Entscheidungsfindung oder effektiver Kommunikation – und sogar regelmäßig nachfragen:„Welche Fähigkeit möchten Sie heute erwerben?“

Indem wir KI für Lern- und Entwicklungschancen nutzen, verwandeln wir passive Interaktionen in aktive Learning-Erfahrungen in Echtzeit – und machen Kompetenzentwicklung zu einem integralen Bestandteil der täglichen Arbeit.

Bei Workday schaffen wir unter anderem durch Gigs Chancen für direkte, praktische Erfahrungen. Dabei handelt es sich um kurzfristige, projektbezogene Aufgaben außerhalb der eigentlichen Rolle eines Mitarbeiters, die einen konkreten Mechanismus für Erfahrungslernen bieten. Diese Gigs ermöglichen es Mitarbeitenden, neue Skills zu entwickeln, vorhandenes Wissen in unterschiedlichen Kontexten anzuwenden und wertvolle interne Netzwerke aufzubauen. Damit verkörpern sie die beiden Kernaspekte „Praktische Erfahrung“ und „Interaktion“ des 70:20:10‑Modells. 

Soziale Verbindungen vertiefen

Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen: Wir lernen, wachsen und entwickeln uns gemeinsam mit anderen. Dieser Schwerpunkt auf Beziehungen macht 20 % des 70:20:10-Modells aus und ist ein wesentlicher Bestandteil menschlicher Entwicklung. Doch was passiert, wenn Technologie beginnt, uns voneinander zu trennen – und damit genau jene wertvolle Interaktion verhindert, die es jüngeren Mitarbeitenden ermöglicht, von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu lernen, sowie Berufseinsteigern, das notwendige Handwerkszeug von Expertinnen und Experten zu erwerben? Die mögliche Folge: eine isolierte, fragmentierte Belegschaft.

Die Antwort lautet nicht, die Einführung neuer Technologien zu verlangsamen, sondern unsere Interaktion gezielt zu intensivieren. Ein Umfeld mit vielfältigen sozialen Kontakten basiert auf so grundlegenden Elementen wie Vertrauen, Zusammenarbeit und gemeinsame Werte. Werden diese priorisiert, entstehen auf natürliche Weise die informellen Interaktionen, die neue Ideen fördern und die Kultur stärken. Bei Workday schaffen wir bewusst solche Momente des Zusammenfindens – etwa durch unser EverydayAI-Event und den Prompathon, die kollaboratives Lernen fördern und Mitarbeitende dazu motivieren, innovative KI-Prompts für ihre tägliche Arbeit zu entwickeln. Oder durch den People Leadership Summit, bei dem alle neuen Führungskräfte einmal im Jahr persönlich zusammenkommen, voneinander lernen und sich vernetzen.

Die Antwort lautet nicht, die Einführung neuer Technologien zu verlangsamen, sondern unsere Interaktion gezielt zu intensivieren.

In diesem Kontext der menschlichen Interaktion wird der wahre Wert unserer einzigartigen menschlichen Fähigkeiten sichtbar. Unsere Studie hat gezeigt: Einzigartige menschliche Skills wie Empathie, Kreativität, komplexe Kommunikation und emotionale Intelligenz zählen zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren in der Arbeitswelt der Zukunft. Tatsächlich stimmen 83 % der Befragten zu, dass KI diese einzigartigen Fähigkeiten erweitert und menschliche Kreativität fördert. 

Echte menschliche Interaktion – spontane Brainstormings, einfühlsame Gespräche, gemeinsame Erfolge und Herausforderungen – macht ein Arbeitsumfeld erst produktiv. 

Freiraum für Innovation und Wachstum schaffen

Wenn 90 % des Lernens durch Erfahrungen und Beziehungen erfolgen, mögen die verbleibenden 10 % – das bewusste Schaffen von Zeit und Raum für Lernmomente – prozentual gering sein, doch ihr Effekt ist enorm. Echtes agiles Lernen, definiert als die Fähigkeit und Bereitschaft, Erfahrungen zu reflektieren und diese Erkenntnisse proaktiv in neuen Situationen anzuwenden, erfordert vor allem eine Verlangsamung. Es ist nahezu unmöglich, eine neue strategische Richtung zu entwickeln, bestehende Annahmen zu hinterfragen oder eine Zukunftsvision zu entwickeln, wenn keine Zeit zum Innehalten bleibt.

Das führt zu der entscheidenden Frage: Wie werden die durch KI freigesetzten menschlichen Kapazitäten neu investiert? Im KI-Zeitalter bedeutet Lernen nicht nur den Erwerb neuer Fähigkeiten, sondern ebenso eine Abkehr von nicht mehr benötigten Verhaltensweisen durch Hinterfragen eingespielter Denkmuster und Loslassen obsoleter Praktiken. Einstein sagte einmal: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Durch Möglichkeiten zum konzentrierten Arbeiten – wöchentliche Zeitblöcke zur Fokussierung – und die Schaffung von „Leerlaufzeiten“, in denen Mitarbeitende selbst bestimmen, wie sie ihre Skills und Talente optimal einsetzen, entstehen Freiräume für strategisch relevante Aufgaben und neue Ideen.

Es ist nahezu unmöglich, eine neue strategische Richtung zu entwickeln, bestehende Annahmen zu hinterfragen oder eine Zukunftsvision zu entwickeln, wenn keine Zeit zum Innehalten bleibt.

Abgesehen von diesen Zeiten müssen wir Weiterbildungs- und Schulungsangebote schaffen, die neues Wissen vermitteln, das unser täglicher Arbeitskontext nicht bietet. Viele unserer besten Ideen und Erkenntnisse entstehen, wenn wir uns nicht aktiv auf eine bestimmte Aufgabe konzentrieren. Menschen sind eher in der Lage, Probleme kreativ zu lösen, unterschiedliche Konzepte miteinander zu verknüpfen und neue Perspektiven zu gewinnen, wenn sie ihren Geist frei schweifen lassen können. Unternehmen können solche „Heureka“-Momente aktiv fördern, indem sie erfahrungsbasierte Workshops, bewusste Momente für spontane Brainstormings oder Trainings zur persönlichen Entwicklung anbieten, die das Gehirn auf eine andere Art „arbeiten“ lassen. 

Eine neue Strategie für die Zukunft

Die Zukunft der Arbeit ist kein Nullsummenspiel zwischen Mensch und KI. Sie bietet die Chance, eine symbiotische Beziehung zu gestalten, in der Technologie unsere Fähigkeiten erweitert – und Menschen sich weiterentwickeln und Fortschritte erzielen. KI ist nicht nur in technologischer Hinsicht transformativ, sondern auch für uns Menschen. 

Effektives Lernen, Weiterentwicklung und Anpassung entstehen durch aktives Tun. Ob beim Schreiben eines Buchs, beim Lösen komplexer Probleme oder beim Umgang mit Konflikten – in solchen Momenten lernen und entwickeln wir uns effektiv weiter. Gerade in Zeiten der Herausforderung und Belastung erleben wir grundlegende Entwicklung und Veränderung.

Diese Form des menschlichen Lernens – geprägt durch Erfahrungen, Beziehungen und Reflexion – bildet die Grundlage einer starken Partnerschaft zwischen Mensch und KI. Indem wir unsere Bemühungen gezielt auf diese Partnerschaft konzentrieren, können wir einer Zukunft mit beispielloser Produktivität, Innovation und beruflicher Erfüllung entgegenblicken. 

Wir haben 2.500 Vollzeitbeschäftigte in 22 Ländern dazu befragt, wie KI die Belegschaft verändert und welche Skills die Unternehmen für ihren Erfolg benötigen. Informieren Sie sich jetzt über die Erkenntnisse.

Weiteres Lesematerial