Wie verantwortungsvolle KI den HR-Bereich umgestalten kann

HR-Führungskräfte müssen Aufgaben identifizieren, die automatisiert werden können, für die Akzeptanz ihrer Kollegen sorgen und eine Lernkultur fördern. Erst dann können sie die Effizienzvorteile realisieren, die KI verspricht.

smartCHRO – Ausgabe 2

Wenn Sie in einem Raum voller HR-Fachkräfte das Wort „Fachkräftemangel“ in den Mund nehmen, wird wahrscheinlich ein kollektives Raunen zu hören sein. Für CHROs hat dieses Anliegen oberste Priorität – nicht nur im Hinblick auf das übrige Unternehmen, sondern auch in Bezug auf ihre eigene Funktion. Da viele HR-Teams mit so wenigen Mitarbeitenden wie nie zuvor auskommen müssen, sind Führungskräfte sehr an effizienzsteigernden Maßnahmen interessiert, die ihre Kollegen zugunsten wichtigerer Aufgaben von stumpfen Routinearbeiten entlasten.

Darum setzen HR-Führungskräfte von Unternehmen wie Air Liquide, On und Mondelēz International auf Automatisierung. Laut einer aktuellen Workday-Umfrage unter 1.124 HR-Technologieverantwortlichen gehen 70 Prozent der Befragten davon aus, dass KI die HR-Funktion in den nächsten fünf Jahren in zahlreichen Bereichen maßgeblich unterstützen wird – vom Kandidaten-Matching bis hin zur Karriere- und Kompetenzentwicklung. 

Ein neues Maß an Effizienz in der HR-Funktion erzielt man jedoch nicht über Nacht. Ob dies gelingt, hängt von Planung, Zusammenarbeit und Schulung ab. Im Folgenden finden Sie einige Best Practices, die Sie bei der Transformation Ihres Unternehmens durch Automatisierung berücksichtigen sollten.

„Vor der Implementierung müssen HR-Führungskräfte Aufgaben identifizieren, die für die Automatisierung geeignet sind.“

Volker Schrank Senior Director of HR Technology and Employee Experience, Mondelēz International

Die richtigen Aufgaben automatisieren

Zur Formulierung einer Automatisierungsstrategie muss man sich zunächst ein klares Bild davon machen, welche Aufgaben menschliches Eingreifen erfordern – und welche nicht. So haben die Menschen vermutlich kein Problem damit, einen Chatbot danach zu fragen, wie viele Urlaubstage ihnen dieses Jahr noch zustehen. Aber sie werden sich ihm nicht unbedingt anvertrauen, wenn sie sich über Belästigung am Arbeitsplatz beschweren möchten.

„Vor der unternehmensweiten Implementierung müssen HR-Führungskräfte Aufgaben identifizieren, die für die Automatisierung geeignet sind“, so Volker Schrank, Senior Director of HR Technology and Employee Experience bei Mondelēz International.

„Wir müssen uns mit sensiblen Themen befassen. Mitarbeitende kommen dann zu uns, wenn sie jemanden zum Reden brauchen: einen menschlichen Ansprechpartner“, so Schrank. „Das können wir ihnen nur bieten, wenn wir all die alltäglichen Prozesse automatisieren. Wir wollen unsere HR-Kollegen von der Vielzahl administrativer Aufgaben entlasten, bei denen keine zwischenmenschliche Komponente und keine Beratung nötig ist.“

Durch die Automatisierung können sich HR-Führungskräfte auf Aufgaben konzentrieren, bei denen der persönliche Kontakt wichtig ist, was sowohl die Effizienz als auch die Effektivität steigert. Außerdem werden dadurch traditionell fehleranfällige Prozesse nahtloser und unkomplizierter für die Angestellten. Vor der Onboarding-Automatisierung bei Mondelēz waren über drei Viertel der Laptops und anderen Firmengeräte beim Arbeitsbeginn neuer Mitarbeiter noch nicht verfügbar, was zu Produktivitätseinbußen führte und bei den Anwendern einen schlechten ersten Eindruck hinterließ. Dank der Automatisierung sind heute über 90 Prozent der Geräte bereits am ersten Tag einsatzbereit.

„Die meisten Onboarding-Aufgaben sind hochgradig standardisiert: Man braucht einen Ausweis, eine E-Mail-Adresse, eine Firmenkreditkarte und möglicherweise ein Gerät“, so Schrank. „Wenn man der HR-Abteilung all diese Aufgaben abnimmt und sie automatisiert, können sich die Teammitglieder auf das kulturelle Onboarding im Unternehmen konzentrieren.“

Wie Mondelēz hat auch On laut Julie Muggli, Head of Talent (HR) Operations, Technology and Analytics bei dem Sportschuhunternehmen, Aufgaben ermittelt, die sich leicht automatisieren lassen. „Wir identifizieren die Lücken, bei denen uns KI, so glauben wir, wirklich helfen kann“, erklärt Muggli. „So haben wir beispielsweise die Zeitplanungs- und Zeiterfassungslösung von Workday eingeführt, die Machine Learning (ML) für Prognosen und KI zur Erstellung von Schichtplänen einsetzt. Im Recruiting setzen wir auf eine KI-basierte Lösung, die während des Einstellungsgesprächs Notizen macht und als Coach fungiert, der den Interviewer mit Hinweisen unterstützt.“

„Automatisierungslösungen können die Effizienz des HR-Teams nur dann steigern, wenn sie auch genutzt werden. Daher ist es unerlässlich, die Mitarbeitenden möglichst früh in den Implementierungsprozess einzubeziehen.“ 

Volker Schrank Senior Director of HR Technology and Employee Experience, Mondelēz International

Konsensbildung

„Automatisierungslösungen können die Effizienz des HR-Teams nur dann steigern, wenn sie auch genutzt werden. Daher ist es unerlässlich, die Mitarbeitenden möglichst früh in den Implementierungsprozess einzubeziehen“, bemerkt Schrank.

„ Wenn man den Menschen neue Strukturen aufzwingt, fühlen sie sich nicht eingebunden. Sie fühlen sich nicht wertgeschätzt“, erklärt er. „Aber wenn Sie Ihre Kollegen in den Prozess einbinden, bleiben sie motiviert und verstehen, was passiert und warum es passiert. Manche bringen sogar eigene Ideen ein.“

Was das bedeutet, erfuhr Schrank bei der Einführung eines Selfservice-Produkts von Mondelēz. „Bei der Einführung der Selfservice-Lösung sagten wir nur: ‚Bitteschön. Macht was draus.‘ Und jetzt raten Sie mal, wie viele Leute den Dienst nutzten ... Nicht sehr viele, und unter den wenigen Anwendern war die Unzufriedenheit sehr groß“, erinnert er sich. „Aber dann arbeiteten wir mit unseren Kollegen zusammen und fragten sie: ‚Was wollt ihr mit der Selfservice-Lösung machen? Welche Informationen möchtet ihr damit abrufen, um euer Team zu managen?‘ Daraufhin konzipierten wir gemeinsam mit ihnen einen Dienst, den wir dann getestet und gemeinsam eingeführt haben. Plötzlich waren Akzeptanz und Begeisterung groß.“

Die neuen Technologien müssen nicht nur den Wünschen und Bedürfnissen der Beschäftigten Rechnung tragen, sondern auch innerhalb der normalen Arbeitsumgebung zugänglich sein. Für Air Liquide, einen Gaszulieferer für die Industrie, dessen Belegschaft sich aus Fabrik- und Bürokräften zusammensetzt, war es laut Agnès Le Guern, HR Transformation Project Director, von entscheidender Bedeutung, dass die gesamte Belegschaft Zugang zu Selfservice-Funktionen erhielt. „Wir bieten all unseren Fachkräften das gleiche Maß an Selfservice, unabhängig davon, ob sie in der Fertigung oder im Büro tätig sind“, so Le Guern. 

In Europa bietet Air Liquide Selfservice-Tablets an, die so beliebt sind, dass sie von über 90 Prozent der Belegschaft in der Fertigung genutzt werden. Die verbleibenden 10 Prozent können sich per Telefon oder per Chat über die Computer in den Anlagen jederzeit an die HR-Abteilung wenden.

Fachliche Spezialisierung der HR-Funktion

Da HR-Büros zunehmend automatisiert und effizienter werden, müssen Führungskräfte nicht nur die täglichen Aufgaben ihrer Teammitglieder, sondern auch ihre eigene Funktion und Rolle innerhalb des Unternehmens überdenken.

„Oft werden die Menschen erst dann Teil des Diskurses, wenn es um die Frage geht, ob es durch Automatisierung und KI zu Stellenkürzungen kommt. Dabei denke ich, dass KI ein Hilfsmittel ist, das uns in die Lage versetzt, uns auf die entscheidenden Momente zu konzentrieren: auf die zwischenmenschlichen Beziehungen“, so Muggli. „Das bedeutet, dass unsere fachliche Spezialisierung zunehmen wird.“

Le Guern stimmt dem zu: „Ich denke, unser Aufgabenbereich wird immer spezifischer werden. Eines der Schlüsselelemente der Transformation besteht darin, die Rolle der einzelnen HR-Teammitglieder besser zu definieren und unsere HR-Fachkenntnisse zu vertiefen. Ich begrüße diese Entwicklung im HR-Bereich: Sie verheißt mehr Fokus und mehr Sorgfalt.“

Mit zunehmender Automatisierung müssen HR-Führungskräfte ein Lernumfeld für ihre Kollegen aus der Personalabteilung schaffen, das diesen die Möglichkeit bietet, zu echten Experten im Umgang mit KI- und ML-basierten Technologien zu werden.

„Wir müssen unsere Kollegen unterstützen und ihnen technologische Weiterbildungsmöglichkeiten bieten, denn in meiner Erfahrung ist der IT-Aspekt im HR-Team nicht besonders stark ausgeprägt“, so Schrank. Laut einer Workday-Umfrage glauben 42 Prozent der befragten HR-Führungskräfte, dass ihr Team nicht umfassend auf KI vorbereitet ist. Diese Ansicht spiegelt die geringste Zuversicht unter allen befragten Funktionen wider.

Veröffentlicht in:  smartCHRO Magazine

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