„Es wird kein Zurück geben aus dieser Welt, aus der wir kommen“, sagte Janina Kugel in ihrer Keynote zum Thema „Die Zukunft der Arbeit“ auf der diesjährigen Workday Elevate Berlin . Sie ist Aufsichtsrätin, Beraterin, Sprecherin und ehemalige CHRO von Siemens. Mit dieser einprägsamen Äußerung bezieht sich Janina Kugel auf Unternehmer und Unternehmerinnen, die sich, gebeutelt angesichts der vielen Krisen und Unstetigkeiten unserer Welt, hoffnungsvoll im Hinblick auf das (nur) gefühlte Ende der Pandemie fragen: „Müssen wir jetzt immer noch so weiterarbeiten?“
Die Antwort ist eindeutig, das hat nicht nur Janina Kugel auf der Workday Elevate deutlich gemacht: „Ja!“ Denn die Gesellschaft sieht sich mit einem besonderen Maß an Wandlungstreibern konfrontiert: Kriege, Krisen, digitaler und demografischer Wandel und, wie es Deloitte in einem Beitrag zur Zukunft der Arbeit auf den Punkt brachte, die Megatrends im Bereich Arbeit Technologie, Diversität und Globalisierung. Der Wandel in nunmehr allen Bereichen des Lebens ist ein vorwärts gerichteter, ohne Zweifel. Nur so neu und unbekannt, wie viele „New Work“ beschreiben, ist das Ganze eigentlich nicht. Dr. Stefan Fourier, Geschäftsführender Gesellschafter der Humanagement GmbH, sieht in unserem Zeitalter starke Parallelen zur Renaissance: Heute wie damals haben innovative Schlüsseltechnologien alles auf den Kopf gestellt und für einen Aufbruch gesorgt, der vielen zunächst Kopfschmerzen bereitet hat (man stelle sich nur mal vor, die Erde ist plötzlich rund!). Gleich wie heute war der Übergang in das Neue erst mal beschwerlich, unbequem und vorwiegend mit Unsicherheiten behaftet. Schließlich hat es 200 Jahre und mehr gedauert, bis all das Neue von damals in der Industrialisierung seine Identität gefunden hat — eine Identität, die nun Schritt für Schritt abgelöst werden wird.
Vorwärts immer, rückwärts nimmer: Was Mitarbeitende heute fordern
Dieser Wandel hätte vielleicht ein ganz anderes Tempo angenommen, wäre da nicht die Pandemie hinzugekommen. Sie wirkte wie ein Katalysator für all die bereits dagewesenen, doch sich noch langsam bewegenden Umbrüche. Vor allem auch im Bereich der Arbeit. „Die meisten Unternehmen, die glauben, wir gehen wieder dahin zurück, wo wir herkommen und die nicht darüber nachdenken, wie wir weitergehen, werden sich mit einer besonderen Situation konfrontiert sehen: Die Leute werden ihnen davonlaufen“, machte Janina Kugel deutlich, und bezieht sich damit auf das in den USA bekannte Phänomen der „Great Resignation“, also einer besonders hohen Bereitschaft, Jobs zu kündigen bzw. zu wechseln. Zusammen mit dem in Deutschland schon längst angekommenen demografischen Wandel wird die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Arbeitgebende immer prekärer. Unsere Gesellschaft wird immer älter, es gibt immer weniger Nachwuchs, und dieser Nachwuchs weiß zudem ganz genau, was er will. Für die Generation Z, die nun den Arbeitsmarkt betritt, stehen Diversität, Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit im Zentrum. Das Verständnis von Arbeit und dem Verhältnis zum Arbeitgebenden ist ganz anders als früher. So ist die Besessenheit auf Zeit als Indikator für Produktivität oder Erfolg für diese Generation obsolet. Nur wer flexible Arbeitszeitmodelle und hybride, ortsunabhängige Arbeitsformen anbieten kann, wird den hohen Ansprüchen dieser Generation gerecht werden.
Wer also „zurück zur Normalität will“, sollte diesen Wunsch schnellstens überdenken. In ihrer eindringlichen Keynote demontierte Janina Kugel die Mär der Unproduktivität im Home Office und die daraus vermeintlich resultierenden Einbußen in der Wirtschaftsleistung. Häufig begegne ihr die Frage: „Wann arbeiten die Leute denn eigentlich endlich einmal wieder?“ Ganz so, als würde Homeoffice automatisch bedeuten, dass niemand mehr produktiv sei. „Mir ist nicht aufgefallen, dass (…) der Revenue zurückgegangen wäre. Und mir ist auch nicht aufgefallen, dass die Mitarbeiter*innen in den letzten zwei Jahren zu Hause gehockt wären und Däumchen gedreht hätten.“ Janina Kugel stellt sich gegen gängige Vorbehalte, die viele Unternehmer und Unternehmerinnen noch zu haben scheinen. Besonders die Finanzwelt, so Janina Kugel, habe mit ihrem Wunsch, schnell zur Normalität zurückzukehren, vieles eingebüßt. Angestaubte Konzepte von Arbeit, die als Produktivitätsindikatoren Anwesenheit und Arbeitszeit annehmen, sind nicht mehr in der Lage, den Zeitgeist zu reflektieren. Laut der aktuellen „Global Workforce Hopes and Fears Survey 2022“ von PwC erwarten 62 Prozent der 52.0000 Befragten, dass ihr Arbeitgeber ein hybrides Arbeitsmodell anbietet. Einen Mix also von In-Office und Remote Arbeit. In Deutschland fordern 71 Prozent, dass mehr Homeoffice ermöglicht wird, so eine Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom zum Thema New Work. Daraus geht auch hervor, was sich Arbeitnehmende heute wünschen: „Die Arbeitszeit frei einteilen (95 %), individuelle Leistungs- und Lernziele selbst bestimmen (95 %) und allgemein einer sinnstiftenden Tätigkeit (91 %) nachgehen können, sind breit geteilte Wünsche an den Job. Vom Arbeitgeber wird erwartet, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen (91 %) sowie Gleichstellung und Diversität zu fördern (92 %).“ (Bitkom 2022)